Protest im Vorschulalter: Kinder machen die Stadt unsicher

Kita-Bündnis veranstaltet morgen einen Aktionstag, um auf den Personalmangel aufmerksam zu machen.

Roland Kern hat Großes vor. "Es gehört zu guter Kita-Arbeit dazu, dass man die Stadt für die Kinder erobert", erklärt der Mitarbeiter des Dachverbands Berliner Kinder- und Schülerläden. Mehr als 20.000 Kinder aus rund 340 Kitas sollen am Mittwoch Berlin erobern - die Straßen, die Parks, den Zoo. Die vielen kleinen Unternehmungen zum Kit-Aktionstag verbinden unbeschwerten Ausflug mit ernstem Anliegen: Die Kitas wollen durch die öffentliche Präsenz auf den akuten Personalmangel aufmerksam machen.

"Gerade wenn man die Forderungen der Eltern und der Öffentlichkeit ernst nimmt, ist man bald am Ende seiner Kräfte", klagt Kita-Leiterin Ilse Ziess-Lawrence. 2004 hat der Senat das Berliner Bildungsprogramm verabschiedet, das auf Humboldts Idee vom "lebenslangen Lernen" basiert. Die Kita soll kein "Verwahrungsort", sondern eine "Bildungseinrichtung" sein. Mit Sprachlerntagebüchern und Experimenten sollen die Kinder optimal gefördert werden. "Wir begrüßen das", betont Ziess-Lawrence, aber oft fehle einfach die Zeit. Eine 2007 durchgeführte Umfrage unter 1.294 Erzieherinnen ergab, dass nur 20 Prozent von ihnen ihre pädagogische Arbeit vor- und nachbereiten.

Im Berliner Kita-Bündnis haben sich freie Träger, Gewerkschaften und Verbände zusammengeschlossen. "Egal ob groß, ob klein, ob frei, ob öffentlich - uns drückt der gleiche Schuh", sagt Kern und nennt drei Forderungen der Kitas: Zum einen sollen für jede vollbeschäftigte Erzieherin fünf Wochenstunden für Vorbereitung, Elterngespräche und Beobachtung der Kinder fest eingeplant sein. Bei Grundschullehrern sei das eine Selbstverständlichkeit. Außerdem soll die Grenze für eine freigestellte Leitung der Kindertagesstätte von zurzeit 166 auf 100 Kitaplätze gesenkt werden. Drittens fordert das Bündnis, dass jedes Kind Anspruch auf einen Kita-Teilzeitplatz bekommt.

Um all diese Forderungen umzusetzen, müssten, so das Bündnis, die 12.000 Kita-Vollzeitstellen in Berlin um weitere 2.500 aufgestockt werden. Kostenpunkt: rund 100 Millionen Euro jährlich. "Eine Verbesserung der pädagogischen Qualität zum Nulltarif gibt es nun mal nicht", meint Ziess-Lawrence. Gut 87 Millionen Euro erhält Berlin, auf die nächsten fünf Jahre verteilt vom Bundesfamilienministerium für die Betreuung unter Dreijähriger - das Geld darf allerdings nur in Gebäude, nicht in Personal investiert werden.

Der Bitte um ein Treffen mit dem Bündnis kam der zuständige Senator Jürgen Zöllner (SPD) bisher nicht nach. "Wir warten auf einen Termin." Im Herbst plant das Bündnis eine Podiumsdiskussion, zu der auch Politiker eingeladen werden.

Klaus Schroeder von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft rechnet nicht damit, dass alle Forderungen sofort umgesetzt werden. "Wir erwarten aber schon eine klare Aussage, Verlässlichkeit und einen Stufenplan." Ein laufendes Volksbegehren des Landeselternausschusses stellt sehr ähnliche Forderungen. Im Rahmen des Kita-Aktionstags sollen dafür weitere Unterschriften gesammelt werden.

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