Wal-Mart kein Trendsetter: Tomaten - weitgereist

US-Riese Wal-Mart will wegen hoher Spritpreise mehr lokale Lebensmittel verkaufen. Deutsche Supermärkte folgen dem Beispiel nicht, sie setzen weiter auf Produkte ohne Grenzen.

So manche Tomate legt tausende Kilometer zurück, bevor sie auf dem Ladentisch landet. Bild: dpa

Im Sommer, wenn alle ihr Fleisch grillen, dann haben die Spediteure besonders viel zu tun: Sie müssen für den Nachschub an Nackensteaks und Würstchen sorgen, damit die Kühltruhen in den Supermärkten nicht leerstehen. Das Fleisch holen sie aus Dänemark oder den Niederlanden. Die deutschen Bauern können nicht mithalten, wenn die Temperaturen und mit ihnen der Appetit auf Deftiges vom Rost steigt.

Das Lebensmittelgeschäft ist mit langen Transportwegen verbunden. Ob sich das wegen der hohen Spritpreise ändert? In den USA hat der US-Einzelhändler Walmart verkündet, mehr Produkte vor Ort einzukaufen. Gibt es eine neue Einkaufspolitik - weg vom globalisierten hin zum regionalen Produkt? "Nein, der Spritpreis hat keine Auswirkungen", sagt Alexander Lüders von Edeka, der jetzt den Discounter Plus übernimmt. Edeka habe ohnehin schon viele regionale Produkte im Angebot.

Wie stark sich die steigenden Spritpreise auswirken, ist schwer zu beurteilen. Denn kein Unternehmen gibt an, wie stark der Transport bei der Kalkulation zu Buche schlägt. Andreas Krämer von Rewe erklärt: "Der Kunde hat nichts zu befürchten, wir verteuern nichts." Die Kölner Handelskette könne die steigenden Preise für Treibstoff "abfedern". So würden etwa die Fahrer geschult, Sprit zu sparen, also den Reifendruck routinemäßig zu kontrollieren und frühzeitig von Winter- auf Sommerreifen zu wechseln. Und Kilian Rötzer von der Metro sagt: "Wir können nicht einfach alte Lieferverträge auflösen, sobald die Transportkosten steigen." Auch sein Konzern "optimiere", ließe Laster kurze Wege und nicht leer fahren. Rötzer meint: "Natürlich würden wir keine Ananas importieren, wenn sie in Deutschland wachsen würden."

Den Händlern ist kein Weg zu weit. Populäre Beispiele: Äpfel, die in Argentinien gepflückt, nach Rotterdam verschifft und per Laster nach Köln transportiert werden. Oder: Nordseekrabben, die noch immer von Hand gepult werden. Das machen Billigarbeitskräfte in Marokko oder Osteuropa. Tiefgekühlt kommen die Krabben nach Deutschland zurück.

Selbst in einem simplen Glas Erdbeerjoghurt können rund 9.000 Kilometer Fahrstrecke stecken. Das hat die Raumplanerin Stefanie Böge schon vor gut zehn Jahren gezeigt - an einem 125-Gramm-Glas der Südmilch AG. Die Erdbeeren aus Polen kommen zur Vorbehandlung nach Aachen, dann zur Molkerei nach Stuttgart, die Milch aus der Umgebung wird zu Rohbakterien aus Flensburg geschüttet und die Etiketten aus Kulmbach werden auf die Verpackung aus Österreich geklebt. Die Studie ist älter, aber einzigartig. Und Martin Hofstetter, Agrarexperte der Umweltorganisation Greenpeace meint: "Die Märkte haben sich nicht verändert." Die Lebensmittelindustrie kaufe sich alles zusammen - je nach Marktlage und Saison.

Im Winter: 90 Prozent der Tomaten haben fast 2.000 Kilometer hinter sich, wenn sie in hiesigen Regalen landen, sie kommen von der Südspitze Spaniens. Im Frühjahr: Erst werden die südfranzösischen, dann die holländischen Früchte einsortiert. Nur im Sommer werden in Deutschland Tomaten geerntet. Schweine und Rinder gibt es hierzulande hingegen immer reichlich: "Wir haben fast 100 Prozent Eigenversorgung", sagt Hofstetter - wäre der Geschmack der deutschen Verbraucher nicht so ausgefallen. Sie verschmähen Niere, Leber oder Fettiges. Vieles was hier nicht verwurstet werden könne, lande auf dem Weltmarkt. Dafür kämen aus dem Ausland "Filetstücke" zurück. Parmaschinken aus Italien zum Beispiel, Steaks aus Argentinien, Lammfleisch aus Neuseeland. Aber das ist nicht alles.

Thilo Bode von der Verbraucherorganisation Foodwatch: "Alle halten die Weißwurst für eine bayerische Spezialität" - dabei könne der Schweinedarm aus China, das Schweinefleisch aus Polen, das Kalbfleisch aus Ungarn und die Petersilie aus Südafrika stammen. Schlachtfirmen transportierten Produkte über tausende von Kilometern. Der Kunde erfahre davon "leider nichts".

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels schreibt in einer Broschüre nur: Der grenzenlose Austausch im Lebensmittelbereich habe in den letzten zwanzig Jahren zu einer Verdoppelung des Transportaufkommens geführt. Elmar Schlich, Professor für Prozesstechnik in Lebensmittelbetrieben an der Universität Gießen, erklärt: "Der Sprit macht wenig aus, die Personalkosten für den Transport sind entscheidender." Zudem sei eine Schiffsladung von Neuseeland nach Rotterdam vergleichsweise billig - eine Tour im spritfressenden Lkw von München nach Hamburg kann mehr kosten.

Hohe Energiepreise stoppen den Genuss ohne Grenzen nicht. "Nur", meint Agrarexperte Hofstetter, "viele Kunden haben den austauschbaren Massengeschmack satt." Nach der Ökowelle gebe es einen Trend zum Regionalen. Tatsächlich bietet Plus Milch, Quark und Sahne der Marke "ALPA - Genuss aus der Heimat". Der Discounter Norma speist 30 Prozent seines Sortiments aus Regionalem. Er nennt das "Qualität aus den neuen Ländern" oder "Qualität aus Franken." Und die Allgäuer Supermarktkette Feneberg preist Biowaren aus der Umgebung an. Etikett: "Von hier". Die neue Mode jeodch hat wenig mit Energie, aber viel mit Marketing zu tun.

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