Erwin Huber in der Krise: Der Schrumpfriese

Trotz gigantischer Steuergeschenkversprechen laufen der CSU die Mitglieder davon. Die Krise der Partei ist vor allem mit einem Namen verknüpft: Erwin Huber.

Der ewige Zweite, der irgendwie Erster wurde: Erwin Huber. Bild: dpa

MÜNCHEN taz Es war einmal im schönen Bayernland ein mäßig besoldeter Finanzbeamter, den alle nur den "kleinen Huber" nannten. Sie taten das nicht etwa wegen seiner geringen Körpergröße, sondern deshalb, weil der Minister, in dessen Haus er arbeitete, auch Huber hieß, und das war eben der große Ludwig Huber, ein mächtiger Mann in der Partei, die das Bayernland seit der Bronzezeit beherrscht. Den kleinen Huber kümmerte es wenig, wie sie ihn nannten. Er war zu aller Welt freundlich, bediente als Presse-Hilfsreferent die Zeitungsschreiber zuverlässig, war wissbegierig und lernte unaufhörlich dazu. Bald wusste er alles über Steuern und Schuldenmachen, über Pendlerpauschalen und Staatsausgaben.

Mit der Zeit verschwand der große Ludwig Huber, und der kleine Huber wurde groß und größer. Die Partei brauchte ihn da und dort, und mit einem Mal war er so groß, dass er selbst Minister und schließlich sogar der Häuptling jener Partei wurde. "Seht her, jetzt bin ich der große Huber, mein Name ist Erwin, alles hört auf mich!", sagte er da.

Doch dann passierte ihm ein Missgeschick nach dem anderen, und er sah wieder ganz klein aus. Niemand wollte so recht auf ihn hören, vor allem nicht im fernen Berlin, seiner Partei liefen die Wähler weg und seiner Hausbank unter seinen Augen die Milliarden. Da dachte der große Erwin Huber traurig bei sich, wie gut er es damals eigentlich als kleiner Huber mit seinen überschaubaren Aufgaben gehabt hatte, und sehnte sich ein bisschen zurück. Und wenn seiner Partei im nahen Herbst noch mehr Anhänger davonlaufen, dann machen sie ihn vielleicht ganz schnell wieder zum kleinen Huber.

Märchen in der Politik haben fast immer ihre Brüche. Die erste Hälfte der Karriere des Erwin Huber, geboren am 26. Juli 1946 in Reisbach (Niederbayern) als armer Leute Kind, das im Abendgymnasium paukt und sich zum Diplomvolkswirt qualifiziert, liest sich wirklich wie aus dem Märchenbuch. Mit 32 Jahren wird er für den Stimmkreis Dingolfing in den Landtag gewählt, nachdem er jahrelang als Pressereferent im Finanzministerium gearbeitet hatte. Er brachte alles mit, was in der CSU brauchbar war: Erzkonservativismus, Leutseligkeit, Hemdsärmeligkeit, Gespür für die kleinen Leute.

Im Landtag warf er sich auf die Umweltpolitik, die in Bayern seit 1970 in einem eigenen Ministerium gebündelt war, und setzte neue Akzente. Dazu blieb er bescheiden, loyal bis zur Selbstaufgabe, ließ aber auch Meinungen jenseits der CSU gelten. "Menschlich und human" sei der Erwin, sagte der frühere Mininisterpräsident Max Streibl einmal.

Der CSU-Übervater Franz Josef Strauss machte ihn kurz vor seinem Tod 1988 zum Generalsekretär. Theo Waigel wurde Hubers neuer Boss, und das Duo harmonierte vortrefflich. Unübersehbar war damals schon, dass Huber der geborene zweite Mann ist und dass seine Außenwirkung schon immer schwächer war als seine Fähigkeit, Vorgaben in der Partei zu exekutieren und Organisationsarbeit zu leisten. Nie hat er sein mahlendes Niederbayerisch abgelegt, das nach logopädischer Abhilfe schreit und rätselhafte Worte wie "Miprädnt" (für Ministerpräsident) oder "Schoosn" (für Chancen) beinhaltet. Auch deshalb fällt es ihm schwer, sich etwa bei der Bundeskanzlerin, die den Wahlkreis Rügen vertritt, das Gehör zu verschaffen, das die CSU nach dem Klartext-Redner Edmund Stoiber wieder gern hätte.

Einmal war Huber für drei Jahre sein eigener Herr: Stoiber, dem er sich bis zum Putsch Anfang 2007 bedingungslos verschrieben hatte, machte ihn 1995 zum Finanzminister. Da schaltete und waltete er nach Belieben und erfolgreich. Viele in der CSU wunderten sich, dass sich Huber 1998 das Amt wieder abschwatzen ließ. Stoiber hatte in seiner Staatskanzlei so viele Baustellen eröffnet und sich mit unpopulären Projekten Zorn in der CSU zugezogen, dass er Huber als Vollstrecker brauchte. "Da hat er sich vom Herrn wieder zum Knecht gemacht", sagte Theo Waigel. "Ich bin loyal", war Hubers knapper Kommentar.

Den Unmut, der eigentlich Stoiber galt, zog Erwin Huber auf sich. In der CSU-Landtagsfraktion drehte sich die Stimmung gegen ihn, zumal er einige seiner früheren Grundtugenden aufgab. Huber wurde herrisch, dünnhäutig und brachial im Exekutieren des Stoiberismus. Als 2005 das von sozialer Kälte strotzende Unionsprogramm zur Bundestagswahl zum Teil an Huber festzumachen war, das auch der CSU ein als katastrophal, weil unter 50 Prozent liegendes Ergebnis bescherte, war Stoibers Macher auf dem Tiefpunkt.

Die Groteske, die sich anschloss, ist noch in Erinnerung. Stoiber ließ sich in Berlin von Angela Merkel ein Superministerium schneidern, das er dann doch nicht übernehmen wollte. Derweil hatten sich Huber und der bayerische Innenminister Günther Beckstein ein ziemlich lächerliches Duell um Stoibers Nachfolge in Bayern geliefert. Zu den Feindseligkeiten, die der unnötige Zweikampf hervorbrachte, gehörte Becksteins Aussage, unter einem Ministerpräsidenten Huber werde er kein Regierungsamt übernehmen.

Immerhin einte beide Anfang 2007 die auch von den meisten Bayern geteilte Auffassung, mit Stoibers Faxen müsse es ein Ende haben. Dass einem Putschopfer gestattet wird, noch neun Monate sein Unwesen zu treiben, ist den Putschisten und der CSU freilich nicht gut bekommen. Sie haben wertvolle Zeit für die Erneuerung vertan. "In neun Monaten entsteht neues Leben", hat Theo Waigel den Putsch auf Raten gegeißelt. "Beerdigung dritter Klasse, die Kerze trägt die Leiche selbst", ätzten andere CSUler.

Heute haben sich die bayerischen Zwillinge gegenseitige Unterordnung verschrieben. Beckstein ist als Ministerpräsident der Chef von Finanzminister Erwin Huber, als CSU-Mitglied aber dessen Untertan. So kompliziert hat sich die CSU, die immer für klare Strukturen an der Spitze stand, noch nie aufgestellt. Manchmal wirkt das Duo so, als hätte Bundestrainer Jogi Löw bei der Europameisterschaft die Unglücksraben Gomez und Kuranyi zusammen spielen lassen. Beckstein und Huber stehen sich unübersehbar im Weg.

Darunter leidet der Parteivorsitzende offensichtlich mehr als der robustere Ministerpräsident. Huber wirkt bei seinen Auftritten gehemmt, die Lockerheit früherer Jahre ist geschwunden. Er scheint zu wissen, dass er noch nicht der Vorsitzende ist, den sich die CSU wünscht, und sogar daran zu zweifeln, ob er es je wird. Vielleicht ängstigt es ihn, dass keiner mehr über ihm ist, dem er Loyalität beweisen muss. Die von ihm berufene Generalsekretärin Christine Haderthauer ist ihm noch keine große Hilfe. In anderen Ämtern wie der CSU-Pressestelle hat er sich von Stoiber drittklassiges Personal aufschwatzen lassen.

Beckstein hat die größere Fähigkeit zur Verdrängung, er pflegt sein fränkisches Schlitzohr-Image; die Regierungsgeschäfte verschaffen ihm die besseren Termine. Huber musste lange kämpfen, bis er sich mit seinem Steuererleichterungs-Programm Gehör verschaffte. Es ist ja auch kompliziert und selbst der eigenen Partei kaum klarzumachen, dass Huber mit Stoiber erbittert und bis an die Grenze des Erträglichen für einen schuldenfreien Haushalt in Bayern gekämpft hat, während man dem Finanzminister der Berliner Koalition, Steinbrück, die Kasse für die Bürger plündern will. Und die Pendlerpauschale hat auch ihre Tücken. Um nicht pendeln zu müssen, zahlen viele Bürger in den Ballungsgebieten hohe Mieten. Welche Pauschale will Huber dafür ausschütten? Als er sich dieser Tage wieder einmal in Positur werfen und der Bundeskanzlerin ein bisschen drohen wollte, sagte er der Süddeutschen Zeitung ohne jeden Anflug von Ironie: Angela Merkel wisse, dass "der Vorsitzende der CSU Erwin Huber heißt". Da war er wieder, der kleine Huber.

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