Mediaspree: Investoren schrecken sich selbst

Für viele Investoren könnte der Bürgerentscheid zu Mediaspree auch eine Chance sein. Dass bislang nicht gebaut wurde, ist schließlich auch das Ergebnis hohen Leerstands und fehlender Nachfrage.

Viel Platz für viel Leerstand: Neubauentwürfe am Spreeufer Bild: Archiv

Beim Bürgerentscheid über Mediaspree stimmten am Sonntag von 35.000 Wahlberechtigten 87 Prozent gegen die bisherigen Pläne zur Bebauung des Spreeufers. Trotzdem garantierte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Montag den Investoren umgehend Planungssicherheit zu - und droht so indirekt damit, das Verfahren an sich zu reißen. Denn Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) erklärte, den Willen der Anwohner zu berücksichtigen. Ein Sonderausschuss aus Bezirk, Bürgerinitiative und Investoren soll nun voraussichtlich nach der Sommerpause erstmals tagen und nach einem Konsens suchen.

Aller öffentlich geäußerten Wählerschelte der Immobilienbranche zum Trotz: Es könnte sein, dass der Bürgerentscheid gegen Mediaspree manchen Investoren gerade recht kam. Für viele der betroffenen Grundstücke am Spreeufer gibt es seit Jahren ein Baurecht, und trotzdem tut sich nichts. Der basisdemokratische Bürgerwille könnte jetzt einigen der Investoren eine willkommene Rückzugsmöglichkeit von mittelfristig wenig profitablen Projekten eröffnen.

Betroffen sind davon nach Meinung von Beobachtern unter anderem die bisher unrealisierten Neuen Spreespeicher der IVG Immobilien AG an der Cuvrystraße, die geplanten dreiteiligen Bürolofts auf dem Gelände der Strandbar Yaam, die jüngst von einem spanischen Konsortium gekauft wurden, sowie die von Jürgen Kilian geplanten Bürolofts auf dem Gelände des Maria am Stralauer Platz.

Auch der Pressesprecher der Firma Anschutz, Moritz Hillebrand kann noch nicht sagen, wann eine Bebauung der an die O2 World angrenzenden Flächen von seiner Firma vorgesehen ist. "Wir haben keine fertigen Planungen, sondern müssen erst einmal den Bedarf abschätzen," sagt Hillebrand. Aus diesem Grund habe man einen festgesetzten Bebauungsplan, der 15 Jahre gültig ist.

Hinter vorgehaltener Hand äußern Branchenexperten die Ansicht, dass der Markt den Neubau von Büros am Standort Mediaspree zurzeit nicht hergebe. Der Leerstandsdruck in Berlin führe dazu, dass die Baukosten für neue Bürogebäude über die Vermietung nicht finanziert werden könnten. Auch der Volkswirt Ludger Baba vom unabhängigen Institut Empirica meint, dass vor allem das übergroße Angebot an Büroflächen der Grund für diesen Druck sei. "Wenn ich nicht nach Mediaspree gehe, habe ich zahlreiche andere Flächen zur Auswahl." In München wäre ein Standort wie Mediaspree längst bebaut, so Baba weiter. Zusätzlich werde in Berlin erst ab einer Vorvermietungsquote von 60 bis 70 Prozent gebaut, was den spekulativen Neubau von Leerstandsobjekten verhindere.

Auch der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz stellt fest: "Der Markt für Bürodienstleistungen und gewerbliche Nutzung ist bekanntermaßen schwierig." Eine Marktchance hätten nur die Investitionen in besseren Lagen, zum Beispiel am Osthafen, wo sich weitere Mode- und Musikfirmen ansiedeln möchten. Bei anderen Grundstücken, wie an der Mühlenstraße, gebe es in den letzten Jahren daher durchaus ein Interesse, in den Bau von Wohnungen zu investieren.

Weniger pessimistisch ist die grüne Stadtentwicklungsexpertin Claudia Hämmerling: "Im Grunde ist die Situation die: in der Hocke vor dem Sprung", sagt sie. Gerade die Wasserlagen haben in den vergangenen Jahren durchaus Investoren angelockt. Allerdings sei die Bebauung des Spreeufers keine Sache der nächsten fünf Jahre, gibt auch Hämmerling zu. "Aber in 15 bis 20 Jahre könnte da etwas Neues entstanden sein."

Langfristig sieht auch Volkswirt Baba bessere Aussichten für die Immobilienbranche in Berlin. Viel hängt dabei seiner Ansicht nach von der Krise am US-Immobilienmarkt ab. Gleichwohl spricht sich die Grüne Hämmerling für eine Suche nach einem Kompromiss aus. "Es kann nicht sein, dass da immer die immer gleiche Architektur entsteht", sagt sie.

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