Repression in Weißrussland: Besuch von den Behörden

Nutzt der autoritäre Staatspräsident Alexander Lukaschenko die Bombenexplosion in Minsk vom 4.Juli, um unabhängige Medien zu terrorisieren?

Schraubmuttern aus der Splitterbombe, die am 4.7. detonierte. Die Ärzte holten sie aus den Körpern der mehr als 50 Verletzten heraus. Bild: ap

Weißrusslands autoritärer Staatspräsident Alexander Lukaschenko holt zum nächsten Schlag gegen unabhängige Journalisten aus. Diesmal traf es Dschanna Popowa, die Leiterin des Verlagshauses Vitebski Kurer in Vitebsk. Am vergangenen Mittwoch drang rund ein Dutzend Mitarbeiter der Behörde zum Kampf gegen organisierte Kriminalität in Popowas Wohnung ein. Die Beamten, allesamt in Zivil, beschlagnahmten Disketten, Compact Discs sowie Bildmaterial. Zur offiziellen Begründung hieß es, die Durchsuchung der Wohnung finde im Rahmen der Ermittlungen zu einer Bombenexplosion in Minsk vom 4. Juli statt.

Bei der Detonation eines selbst gebauten Sprengsatzes während eines Open-Air-Konzertes im Zentrum der weißrussischen Hauptstadt waren rund 50 Menschen verletzt worden. Kurz darauf hatte Lukaschenko zwei Spitzenfunktionäre entlassen sowie 13 Personen - darunter mehrere Oppositionelle - vorübergehend festnehmen lassen.

Olga Karatsch, Mitarbeiterin der Vitebsker Nichtregierungsorganisation Nasch dom (Unser Haus), hält die offizielle Begründung für die Wohnungsdurchsuchung für vorgeschoben. Sie glaubt, dass die Aktion eine Reaktion auf einen Brief von Popowa an die örtliche Innenbehörde ist. In ihrem Schreiben vom 21. Juli hatte die 55-Jährige die Herausgabe der gesamten Auflage des Vitebski Kurer M gefordert, die am 24. April 2008 ohne Angabe von Gründen beschlagnahmt worden war.

Außer Dschanna Popowa, die zwecks weiterer Beweisaufnahme in die Verwaltung zur Verbrechensbekämpfung gebracht wurde, fand sich am Mittwoch auch Olga Karatsch unfreiwillig auf dem Polizeirevier wieder. Sie hatte einen Menschenrechtler begleitet, der der Wohnungsdurchsuchung hatte beiwohnen wollen, aber von der Miliz daran gehindert worden war. Dort versuchten die Beamten zunächst, die beiden dazu zu zwingen, sich fotografieren und Fingerabdrücke nehmen zu lassen, verzichteten aber, als sie auf Widerstand stießen, auf die Anwendung von Gewalt.

Der Druck auf kritische Journalisten wird nicht erst seit dem Anschlag verstärkt. Am 28. September finden in Weißrussland Parlamentswahlen statt. Noch ist unklar, ob sich Lukaschenko, wie bei den vorherigen Wahlen, durch Manipulationen, Fälschungen und Repressionen wieder einmal ein ihm höriges Parlament verschafft. Oder ob er sich, im Sinnen einer vorsichtigen Annäherung an den Westen, dieses Mal gnädig dazu herablässt, auch Vertreter oppositionellen Gruppierungen antreten zu lassen.

Doch auf ein Einlenken Lukaschenkos deutet im Moment kaum etwas hin. So schrieb beispielsweise das präsidententreue Blatt Belarus Segodnija (Weißrussland heute) unlängst, oppositionelle Kräfte trügen die Verantwortung für den Anschlag vom 4. Juli, weil sie Hass in der Gesellschaft säten.

"Der Anschlag wird missbraucht, um wieder härter gegen unabhängige Journalisten vorzugehen", sagt Olga Karatsch. "Die Aktion gegen Popowa war nicht die letzte ihrer Art. Für die nächsten Monate rechne ich mit zahlreichen weiteren Durchsuchungen, Verhören und auch Verhaftungen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.