Songwriter Leonard Cohen in Lörrach: Er ist nicht Kult, sondern Kirche

Der legendäre kanadische Songwriter Leonard Cohen ist nach langer Pause zurück auf der Bühne. Erstaunlich gelöst verzauberte er in Lörrach sein Publikum.

Altersweiser Witz, Dankbarkeit und Freude: Leonard Cohen in Lörrach Bild: dpa

15 Jahre war Leonard Cohen verschwunden von der Bühne. Doch von einem Comeback zu sprechen, scheint zu profan für diese verblüffende Tournee, die ihn am Freitag zum ersten Deutschland-Konzert auf das Lörracher "Stimmen"-Festival geführt hat: Der 73-jährige Kanadier zelebriert einen Abend in Erhabenheit und Würde, mit altersweisem Witz, großer Dankbarkeit und Freude. Er triumphiert und rührt. Cohen ist nicht Kult, er ist Kirche.

Die Bühne betritt er im Laufschritt, eine hagere Gestalt in schwarzer Anzugshose, schwarzer Weste, grauem Hemd und dem wichtigsten Bühnenutensil, einem dunklen Filzhut, den Cohen braucht, um Huldigungen entgegenzunehmen und seinen Musikern zu huldigen. Und wie er den sehnig-gespannten Hals nach vorne reckt, wirkt er wie eine Mischung aus verschmitztem Mafiapaten und Morla, der weisen Schildkröte aus der "Unendlichen Geschichte".

Er spricht dann gravitätische Sätze aus einer fernen Welt, in der Frauen anbetungswürdig sind und das Leben nicht vom Streben nach dem IPhone, sondern Erlösung von Schmerz und Wirrnis durch die Wahrheit des Schönen geprägt ist. Bedankt sich für das "Privileg, hier sein zu dürfen, für diesen Luxus, dieses spirituelle Unterfangen". Dass nicht einmal die Jüngeren kichern, ist neben seiner Fröhlichkeit das zweite kleine Wunder.

Leonard Cohen ist fit und gelöst wie nie, die um neue Tiefenregister erweiterte Stimme nur besser geworden, warm, voll, umschmeichelnd, aber auch hart und präzise wie im grimmig-weisen ersten Höhepunkt "Everybody Knows". Er wiegt sich in den loungigen Takten, die ihm seine sechsköpfige Band so unaufdringlich leise unterlegt, dass sie mitunter hart am Grat zwischen Schmelz und Schmalz agiert - und gelegentlich bei glibbrigen Saxsoli abrutscht, was "Bird on the Wire" nicht guttut.

Doch das ficht den Ergriffenen nicht an. Unzählige Male stellt er seine Musiker vor, einschließlich der "erhabenen" Webb-Sisters aus Kent und Sharon Robinson, die für sirenenhafte Girlanden und das "Ba-da-dam" zuständig sind. Cohen gibt den großen Liebhaber, der empfängt und gibt - allein, wie die Finger seiner linken Hand das Mikrofonkabel umzärteln, wird manche vor Sehnsucht brennen lassen.

Ob das nun erhaben ist oder maniriert, man muss schon hartherzig sein, um im Zauber dieser Wiederkehr ihren schnöden Anlass nicht schnell zu vergessen: Dass Cohen nach seinen Jahren im Zen-Kloster herabgestiegen kam vom Berge, um seine Ruhestandskonten leer zu finden. Fünf Millionen soll ihm seine Exmanagerin abgezwackt haben, so sagt es Cohen, so sagen es die Gerichte. Das Geld aber ist futsch. Also geht er arbeiten. Doch die Bühne dieser Rentenbeschaffungsmaßnahme verlässt er zur Pause hüpfend wie ein fröhliches Kind. Schon aus dem Soundcheck machte er ein bestauntes Gratiskonzert.

Gut zweieinhalb Stunden netto serviert der Grandseigneur der Schwermut ein Menü aus 40 Schaffensjahren, die großen Hits empfängt ein beseelt-berührtes Publikum aus großteils reiferen Damen mit ruhigen Männern auf dem ausverkauften Marktplatz wie einen Gnadenakt: von "Suzanne" und "Marianne" zum düster-bissigen "The Future". Und wenn bei "Hallelujah" selbst diejenigen laut singen, die den Song altersbedingt eher aus "Shrek" kennen, mag sich manch einer wundern, dass nicht die Himmelspforten aufgehen, um den Suchenden heimzuholen. Doch dafür hat der augenscheinlich schon wieder zu viel vor.

Was den Cohen dieser Tage ausmacht, ist die Mischung aus würdevoller Gravität, weihevollem Ton und einer charmant-weisen Selbstironie. Die alten Kämpfe behalten ihre Wahrheit, sind aber ausgestanden. Am Tag eins nach Obama brandet Jubel auf, wenn er singt "Democracy is coming - to the USA".

"Heres a man still working for your smile", singt Cohen am Ende dieses langen Bühnenweihfestspiels breit lächelnd. Die Tournee, sagt seine langjährige Koautorin Sharon Robinson, "hat als Abschied begonnen. Doch nun hat Leonard so viel Freude und Energie, dass man nicht mehr sicher sein kann." An einem neuen Album arbeiten sie bereits. Und was manchen vor Wochen noch traurig machte nach der Absage des Berliner Waldbühnen-Konzerts, klingt nun wie ein Versprechen: "First we take Manhattan, then we take Berlin." Am 4. Oktober ist es so weit.

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