Hauptstadt der Kinder in der Wuhlheide: Müllmänner, denen ihr Job nicht stinkt

In der "FEZitty" sind die Kleinen die Großen. Sie testen das Leben der Erwachsenen mit allem, was dazugehört: Vom Bürgermeister bis zum Müllmann kann jeder Job gewählt werden.

Der Chef der Stadtreinigung überreicht seinen sieben neuen Mitarbeitern die grell orangefarbenen Westen. Die Arbeitskluft ist viel zu groß und rutscht manchem Wertstoffsammler immer wieder von den Schultern. Trotzdem hören sie gut zu, als ihr Chef Benedikt die Aufgaben erklärt: "Ihr zwei sammelt jetzt nur Verpackungsmaterial ein." Dabei gibt er den zwei elfjährigen Mädchen zwei weiße Eimer mit der Aufschrift "Verpackung" sowie je einen Müllgreifer. Sie schlendern los zur schattigen Wiese in Richtung Freizeitpark und Zirkus. Benedikt, elf Jahre jung, koordiniert derweil seine anderen Mitarbeiter. Denn "FEZitty", die Hauptstadt der Kinder, muss sauber sein.

Noch bis zum 31. August können Kinder in FEZitty einen Vorgeschmack auf das Erwachsenenleben bekommen. FEZitty, An der Wuhlheide 197. Öffnungszeiten: Di.-So. 11-18 Uhr, Sa. 13-18 Uhr. Eintritt: 2 Euro, Gästekarte für Erwachsene, ErzieherInnen und Kinder unter 6 Jahre 1 Euro. Weitere Informationen unter www.fezitty.de

Auf dem rund sechs Hektar großen Gelände des Freizeit- und Erholungszentrums (FEZ) in der Wuhlheide haben diesen Sommer wieder die kleinen Leute das Sagen. Zum sechsten Mal organisieren Kinder von 6 bis 14 Jahre ein Stadtleben mit allem, was dazugehört: einem gewählten Bürgermeister, einem Einwohnermeldeamt, einer Arbeitsagentur, Sparkasse, kleinen Supermärkten und einer eigenen Eisenbahnlinie. Ob beim Zirkus oder dem kindereigenen Fernsehsender "FEZitty TV" - in etwa 150 Berufen können die Sprösslinge in ihren Traumjob hineinschnuppern. Benedikt und sein Stellvertreter Paul haben die Tätigkeiten bei der städtischen Müllabfuhr bekommen - und sind darüber, anders, als man erwarten könnte, alles andere als traurig: "Der Job bei der Stadtreinigung war schon ein Wunschberuf", erzählt der 13-jährige Paul selbstbewusst.

Chefposten, so wie Paul und Benedikt sie haben, sind bei den FEZianern begehrt. Man muss dafür früh in der Agentur für Arbeit sein, am besten der Erste in der Schlange. Denn sobald um 11 Uhr der Eingang zu FEZitty geöffnet wird, setzt auch der Ansturm auf die Jobs ein.

Die zwei blonden Mädchen, die gelangweilt mit ihren Müllgreifern bei der Eisenbahnlinie umherlaufen, waren anscheinend nicht schnell genug. Sie haben keine Lust, den Müll anderer Leute aufzusammeln: "Wir wollten eigentlich Tierpfleger werden, aber die Stellen waren alle schon weg", ärgern sich die beiden. Nun müssen sie eine Stunde lang auf dem FEZ-Gelände nach Dreck suchen, wenn sie Lohn haben wollen. 4 "Wuhlis", die stadteigene Währung, springen für sie dabei heraus. Eigentlich beträgt der Stundenlohn 5 Wuhlis, aber einer geht für die Steuern drauf. Ungleiche Lohnverteilungen kommen in FEZitty gar nicht erst auf, denn "hier wird jeder Job gleich bezahlt", erklärt Marion Gusella, die (erwachsene) Sprecherin des FEZ.

Etwas unsicher wirkt Benedikt noch in seiner Rolle als Geschäftsführer, doch es kommen schon wieder neue willige Müllsammler. Er trägt ihre Vornamen in eine Liste und notiert die Uhrzeit. Sein Stellvertreter Paul geht schon etwas forscher an die Arbeit und übernimmt sofort den Telefondienst. "Wir sollen zur Sparkasse und bei denen den Müll abholen", berichtet er kurz seinem Chef und greift sich sofort einen der Müllkarren. Man merkt, dass er das Gefragtsein genießt. "Vor zwei Jahren war ich schon mal hier. Auch bei der Stadtreinigung", erklärt er kurz, bevor er sich mit dem kleinen Karren auf den Weg zur Bank macht.

Zwei Jungs sind ebenfalls gerade auf Müllpatrouille und laufen um das kleine Hafenbecken herum. Sie müssen Restmüll sammeln. Ob es den beiden etwas ausmacht, dass sie diesen Job abbekommen haben? "Jede Arbeit macht hier Spaß", sagt einer von ihnen und beugt sich über ein klebriges Etwas am Boden. Ist das ein ausgespuckter Kaugummi? "Ja, das ist es", erklärt der andere fachmännisch, "wir Müllmänner kennen alles." Dann landet der Kaugummi im Sammeleimer.

Der Staat kassiert mit

Inzwischen ist es 12.30 Uhr. Der Chef teilt die ersten Lohnkarten an einige seiner Mitarbeiter aus. Sie drängen sich um den improvisierten Bürotisch, der in einem Zelt auf dem FEZ-Gelände steht. Die anderen Sammler sehnen ebenfalls das Ende ihrer Schicht herbei und fragen ihren Boss: "Wie lange muss ich noch?" Viele Kinder wirken erschöpft von der drückenden Hitze in der Mittagszeit. Der achtjährige Jan hingegen ist noch recht aktiv: "Ich habe sogar eine Viertelstunde länger gemacht", berichtet er stolz.

Als Vize-Abfallchef Paul mit dem weggeworfenen Papier von der Sparkasse zurückkommt, wartet schon die nächste Aufgabe auf ihn. Die vier öffentlichen Abfalleimer, die die Stadtverwaltung aufgestellt hat, müssen geleert werden. Er schnappt sich den fleißigen Jan und zieht mit ihm nochmals mit einem Müllkarren los. Da der Abfall daraus noch auf dem Recyclinghof sortiert werden muss, ist das viel Arbeit. "Das muss dreimal täglich gemacht werden, dafür bekommen wir dann aber 54 Wuhlis von der Stadt", erklärt Benedikt die vertragliche Vereinbarung.

Nach etwa drei Stunden heißt es allerdings für Benedikt Schichtende. Sein Fazit: "Es hat Spaß gemacht. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen. Und bei der Stadtreinigung war es eigentlich ganz angenehm." Er fährt mit seiner Mutter wieder nach Hause. Während sein Stellvertreter noch etwas weiterarbeitet, begibt sich Benedikt in den wohlverdienten Feierabend.

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