die wahrheit: Ei auf Rädern als letzter Sargnagel

Der Engländer ist vernarrt in Ranglisten. Sobald es von irgendetwas mehr als zehn Stück gibt, wird flugs eine Bestenliste aufgestellt, und zwar nicht nur beim Sport...

Der Engländer ist vernarrt in Ranglisten. Sobald es von irgendetwas mehr als zehn Stück gibt, wird flugs eine Bestenliste aufgestellt, und zwar nicht nur beim Sport, wo es auf der Hand liegt, sondern in allen Lebensbereichen: Lieder und Bücher, Ärzte und Lehrer, öffentliche Toiletten und Supermärkte, Äpfel und Birnen - alles wird sorgfältig verglichen und in einer Rangliste veröffentlicht.

Nun hat eine Autozeitschrift das schlechteste britische Auto aller Zeiten ermittelt. Die Auswahl war groß, denn die britische Autoindustrie hat, als sie noch existierte, wahrlich allerhand Abscheuliches hervorgebracht. Doch gewonnen hat der Austin Allegro mit einem Viertel aller Stimmen. Das eiförmige Auto war berüchtigt, weil es in rasender Geschwindigkeit rostete, häufig die Heckscheibe verlor und allenthalben die Scharniere des Kofferraums einbüßte.

Selbst wenn der Kofferraum schloss, lief bei Regen Wasser hinein. Wollte man einen Reifen wechseln oder musste das Auto gar abgeschleppt werden, was wegen der hundsmäßigen Verarbeitung nicht selten der Fall war, verzog sich das Chassis. Der Clou aber war das quadratische Lenkrad, das bei der Konkurrenz für viel Vergnügen sorgte.

Dennoch wurden von dem putzigen Auto fast 650.000 Stück verkauft. Aufgrund der Horrormeldungen erreichte der Allegro schon bald Kultstatus und tauchte in Fernsehserien wie "Dr. Who" und "Mit Schirm, Charme und Melone" auf. Selbst die Polizei erwarb zur Freude der Gangster 657 Stück. Noch heute sind rund tausend Allegros in England zugelassen. Die Besitzer haben sich in einem Club organisiert und veranstalten Vereinstreffen, bei denen nie feststeht, wer es mit seinem Auto zum Treffpunkt schafft. Der Club verkauft Jacken, T-Shirts, Baseballmützen und Regenschirme mit dem Allegro-Emblem an Menschen, denen jegliches Schamgefühl abhandengekommen ist.

Gebaut wurde der Allegro von British Leyland. Früher gehörten auch Jaguar, Rover und der Mini zu dem Konzern, doch im Zuge der rasanten wirtschaftlichen Talfahrt wurde er aufgesplittet und wie ein falscher Fuffziger herumgereicht - von BMW zu Ford und schließlich zum chinesischen Nanjing und dem indischen Tata-Konzern. Nun bauen die ehemaligen Kolonien die ehemaligen britischen Autos. Mat Watson, der Chefredakteur der Zeitschrift, die die Umfrage gemacht hat, sagt: "Der Austin Allegro war der letzte Nagel im Sarg der früher so dominanten britischen Autoindustrie."

Prinz Charles fährt auch ein Auto aus den Siebzigerjahren: einen Aston Martin DB6, wie ihn Geheimagent James Bond früher fuhr. Weil ihm Umweltschützer vorwarfen, dass sein Auto eine Benzinschleuder sei, hat der Thronfolger den Motor umbauen lassen. Jetzt fährt er mit dem überschüssigen Wein eines Weinguts im südenglischen Wiltshire, der zu Bioethanol verarbeitet wird. Das ist vermutlich das Gescheiteste, das man mit englischem Wein tun kann.

Vielleicht sollte Charles sich einen Allegro zulegen und dem Club beitreten, denn sparsam war das Auto. Es verbrauchte wenig Benzin, und meistens sogar überhaupt keins, weil es in der Werkstatt stand, um eine neue Heckscheibe oder neue Kofferraumscharniere zu bekommen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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