Contra Olympia im Fernsehen: Lasst den Fernseher aus!

Die Olympischen Spiele dienen der Selbstdarstellung der chinesischen Machtclique. Der Sport wird politischen Interessen geopfert. Diese Strategie verdient unseren Protest.

Auf die Olympischen Spiele, so die Pekinger Lesart, freut sich angeblich das ganze chinesische Volk, ja die ganze Welt. Und tatsächlich: Verklungen ist die internationale Kritik an der blutigen Niederschlagung der Widerstandsbewegung in Tibet, erlahmt die weltweite Diskussion über einen Boykott der Spiele, fast vergessen die Farce um den Fackellauf. Nur die Empörung über die Beschränkung der Menschenrechte und der Pressefreiheit hat durch Pekings Internet-Zensur im Vorfeld des Mega-Sportereignisses noch einmal Auftrieb erhalten.

Dieser Sieg der chinesischen Nomenklatura wird dadurch gekrönt, dass Staats- und Regierungschefs aus aller Welt ihre Teilnahme an der Eröffnungsfeier zugesagt haben: Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy kommt ausdrücklich als derzeitiger EU-Präsident, außerdem George W. Bush und viele andere. Umso nötiger wäre es, als Bürger ein Zeichen zu setzen: Wenn schon die politische Spitze der freien Welt das böse Propaganda-Spiel der chinesischen Diktatur mitmacht, boykottieren wir es! Wir schauen im Fernsehen keine einzige Minute dieser schlimmsten Spiele seit der unseligen Veranstaltung von 1936 in Berlin.

Die Olympischen Spiele sind nur deshalb ein Mega-Ereignis, weil weit über eine Milliarde Menschen von Neuseeland bis Alaska zuschauen. Ohne die hohen Einschaltquoten weltweit und die Milliarden Dollar, die über Senderechte und Werbeeinnahmen im Fernsehen bewegt werden, wären sie jedoch weder ein großes Geschäft, noch böten sie eine nennenswerte Propaganda-Bühne für Chinas Parteikader. So, wie es die Tour de France verändert hat, dass die Einschaltquoten wegen der Dopingskandale in den Keller gingen, läge in einem solchen TV-Boykott eine gewisse Macht: Stell dir vor, es sind Olympische Spiele - und keiner schaut zu!

Ein solcher TV-Boykott würde zunächst einmal das primitive Kalkül der Pekinger Machtclique durchkreuzen, die offenbar meint, die Spiele überdeckten alles, was sie an Verbrechen anhäuft: die Unterdrückung des tibetischen Volkes, der freien Journalistinnen, der Menschenrechtler, der unabhängigen Künstler, der Umweltschützerinnen, der kritischen Wissenschaftler, ja selbst der freien Christen, um nur einige Gruppen zu nennen. Mit den Olympischen Spielen feiert sich ein Regime, das nur an drei Dingen interessiert ist: Geld, Renommee und Machterhalt.

Außerdem dürfte Olympia in Peking, das ist schon jetzt absehbar, so dopingverseucht werden wie keine Spiele zuvor. Das Regime will an die Spitze des Medaillenspiegels - mit aller Macht, mit allen Mitteln. Wo das endet, das wissen wir aus dem DDR-Sport zur Genüge. Und wo bleibt die Freude über den sportlichen Sieg der fernen Athleten, wenn man sich die ganze Zeit vor dem Fernseher fragen muss: Wie haben die das jetzt nur geschafft? Nur durch Power-Müesli?

Mit Völkerverständigung hat das große Sportereignis in Peking jedenfalls nichts zu tun. Vielmehr pushen die Spiele schon jetzt den Nationalismus in China, das sich endlich als die kommende Weltmacht präsentieren will. Wer diese Ambitionen nicht weiter schlimm findet, der sollte nach Darfur, in den Iran oder nach Birma schauen. Da sehnt man sich fast schon nach dem amerikanischen Hegemonialdrang.

Natürlich sind die Olympischen Spiele schon lange vor allem ein großes Geschäft. Doch in Peking ist diese Kommerzialisierung besonders abstoßend, weil davon nur die oberen Zehntausend im Reich der 1,2 Milliarden Menschen profitieren. Sie sind nichts weiter als ein ekelhaftes Geschäft internationaler Konzerne, weltweit operierender Medien-Mogule, korrupter Sport-Funktionäre und zynischer Parteikader. Wer von den Sportlern, ihren Verbandsvertretern oder hiesigen Politikern einen Boykott der Spiele erwartet, der sollte lieber selbst mit gutem Beispiel vorangehen - und seinen Fernseher aus lassen.

PHILIPP GESSLER

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