Gentechnik: "Genbauern sind schlechte Bauern"

Reinhard Jung, Geschäftsführer des Bauernbunds Brandenburg, ist entschiedener Gegner von Gentechnik. Allzu enge Bündnisse mit ähnlich denkenden Umwelt- und Naturschützern will er dennoch nicht eingehen.

taz: Herr Jung, wie viele Gene haben Sie heute Morgen gefrühstückt?

Reinhard Jung: Tausende. Ich habe kein Problem mit Genen, sondern mit Gentechnik. Auch als Verbraucher von Lebensmitteln mache ich mir wenig Sorgen. Aber als Verbraucher von Saatgut, als Landwirt, bin ich strikt gegen die Anwendung der Gentechnik.

Warum?

Weil gentechnisch veränderte Lebewesen patentiert sind und wenige Großkonzerne uns damit das bäuerliche Eigentum an Pflanzen und Tiere wegnehmen wollen. Eine Koexistenz von konventionellen und genmanipulierten Kulturpflanzen ist nicht möglich, die Hersteller weigern sich, die Haftung zu übernehmen. Und durch das Patentrecht begibt man sich in eine totale Abhängigkeit von der Industrie.

In Brandenburg blühen 1.200 Hektar Genmais, 40 Prozent des gesamten Genmaisanbaus in Deutschland. Warum?

Die Zahlen kann man sich so oder so zurechtlegen. Es ist lächerlich, Brandenburg als Hochburg der Gentechnik zu bezeichnen, wenn nur auf weniger als 1 Prozent der Ackerfläche gentechnisch veränderte Pflanzen stehen. Ich finde eine andere Zahl interessant: In Brandenburg blühen in diesem Jahr 100 Hektar Gensaat weniger als letztes Jahr. Das zeigt: Gentechnik ist in Brandenburg eine Randerscheinung von Betrieben, die ihren Ackerbau nicht im Griff haben.

Die dümmsten Bauern ernten also nicht mehr die größten Kartoffeln, sondern machen auf Gentechnik?

Es gibt keine Notwendigkeit, Gentechnik anzuwenden. Der Maiszünsler, vor dem uns der Genmais schützen soll, ist zwar ein neuartiger Schädling, aber Schädlingsbekämpfung beherrschen wir Landwirte schon seit 1.000 Jahren - auch ohne Gentechnik. Mit vernünftiger Fruchtfolge und intensiver Bodenbearbeitung kann der Maiszünsler auch so wirksam bekämpft werden, im Zweifelsfall spritzen wir ein Insektizid. Das ist immer noch besser, als alle Pflanzen vorbeugend zu vergiften, wie das beim Genmais der Fall ist.

Imker befürchten, dass sie haften müssen, wenn ihre Bienen den Pollen von Genmais in konventionelle Maisfelder übertragen. Können Sie die Sorgen verstehen?

Die Rechtslage ist hier noch unklar, und beim Mais ist die Gefahr im Vergleich zu anderen gentechnisch veränderten Pflanzen noch verhältnismäßig gering. Aber sie ist da, denn wir produzieren draußen und nicht in geschlossenen Räumen.

Der Bauernbund Brandenburg vertritt 250 bäuerliche Familienbetriebe. Mit wem möchten Sie lieber gegen den Vormarsch der Grünen Gentechnik kämpfen? Mit den Umweltfreunden der Müslifraktion oder mit den Großbetrieben vom Landesbauernverband Brandenburg?

Naturgemäß wären eher die Landwirte vom Bauernverband unsere Verbündeten. Schließlich geht es um die Frage, wem in Zukunft die landwirtschaftlichen Pflanzen und Tiere gehören sollen. Da müssten die großen Agrargenossenschaften, die der Bauernverband vertritt, eigentlich dieselben Interesen haben wie wir. Man fragt sich nur, welche Interessen der Bauernverband in dieser Sache überhaupt vertritt. Bei der Gentechnik redet er seit Jahren um den heißen Brei herum. Müsli habe ich heute Morgen übrigens auch gefrühstückt. Ansonsten haben wir mit den Umweltschützern eigentlich wenig Berührungspunkte. Bei der Gentechnik gilt aber: getrennt marschieren, vereint schlagen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.