Energieexperte über Georgienkrieg: "Der Westen ist nervös"

Der Energieexperte Jenik Radon fürchtet, dass durch den Krieg Öllieferungen nach Westeuropa gefährdet sind. Georgien sei ein sehr wichtiges Transitland.

Aktuell eine Gefahr für die westliche Versorgung: Öl aus Aserbaidschan fließt durch georgische Pipelines. Bild: dpa

taz: Herr Radon, Sie haben als Berater für die georgische Regierung gearbeitet und die Verträge für deren Öl- und Gas-Pipelines ausgehandelt. Wie wichtig ist das Land für die Energieversorgung des Westens?

Jenik Radon: Georgien ist ein enorm wichtiges Transitland, durch das kaspisches Öl und Gas exportiert werden, und zwar unabhängig von der einzigen anderen Möglichkeit, Russland. Dies macht den Öltransport für den Westen wirtschaftlicher und sicherer. Die Baku-Tbilisi-Ceyhan Pipeline liefert bei Vollauslastung 1 Million Barrel Öl am Tag von Aserbaidschan durch Georgien in den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Dort wird es auf Tanker verladen und nach Europa und in die Welt gebracht. Eine weitere Pipeline durch Georgien liefert Gas in Richtung Türkei.

Rund 1 Prozent des täglichen Weltangebots an Öl geht durch die Pipeline in Georgien. Gleichzeitig herrscht Krieg mit Russland um die Region Südossetien. Eine Gefahr für den Energienachschub?

Teile der Pipelines wurden in Georgien aus Sicherheits- und Umweltgründen unter der Erde verlegt, könnten aber durch Bomben trotzdem zerstört werden. Pumpstationen liegen teilweise über der Erde und sind leicht angreifbar. Wird der Ölfluss dauerhaft unterbrochen, würden weltweit die Preise steigen, ähnlich so, wie wenn nigerianische Ölpipelines sabotiert werden. Daher ist der Westen gerade so nervös - abgesehen davon, dass die Souveränität des demokratischen Georgiens durch den Krieg beeinträchtigt wird.

Welche Folgen hat dieser Krieg für den Rohstoffexport aus der Kaukasusregion, die sich seit Jahren von Russland emanzipieren will?

Aserbaidschan, das kaspisches Öl und Gas abbaut, drohen Gewinneinbußen. Es ist "eingesperrt" - es kann de facto nur über Pipelines in Russland oder Georgien exportieren, denn Iran steht unter Embargo. Die Leitungen über Russland sind aber ausgelastet, sodass man nicht ausweichen kann, falls das Transitland Georgien ausfällt. Für Georgien ist es noch kritischer: Wenn der Krieg nicht bald endet, gilt das Land als instabil, und es werden keine ausländischen Geschäftsleute mehr investieren.

Welche Interessen vertritt Russland aus energiepolitischer Sicht in diesem Konflikt?

Russland war von Anfang an gegen die Pipelines durch Georgien, weil es seinen wirtschaftlichen Einfluss als Transitmonopol gefährdet sah. Speziell bei Turkmenien, das vor allem Gas besitzt, denkt Russland strategisch: Turkmenien wird bald vor der Entscheidung stehen, ob es weiterhin seine Energie nur durch Russland schickt - oder ob es eine Pipeline baut, die direkt anknüpft an die Leitung durch Georgien. Wenn aber Georgien seine Pipelines nicht schützen kann, hat Turkmenien erstmal nur die Möglichkeit, bei Russland zu bleiben, obwohl dort die Transitgebühren höher sind.

Kann Russland für den Westen ein zuverlässiger Partner in der Energiepolitik sein? Bereits im Winter 2007 hat Moskau aus politischem Kalkül der Ukraine den Gashahn abgedreht.

Das ist, genauso wie das Eingreifen in Südossetien, kein Verhalten eines verlässlichen, effektiven Partners. Russland ist unvorhersehbar, es zeigt hier mehr als unangemessenes Einzelgängerverhalten, und es ist fraglich, ob der Westen das weiterhin hinnehmen kann.

Ist der Kampf um Südossetien also ein neuer Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland?

Nein. Man sollte nicht immer den Westen als Gegner Russlands sehen. Denn dann wird Russland sich immer isoliert fühlen. Auch wenn der Westen im Moment wegen einer möglichen Energiekrise und Instabilität des Kaukaus aufgeregt ist: Russland muss als Partner in eine Lösungsstrategie eingebaut werden.

INTERVIEW: NICOLE JANZ

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