Debatte Konjunkturabschwächung: Steuerschecks für sparsame Autos

Deutschland rutscht in die Rezession. Um den Abschwung abzuwenden, muss möglichst bald ein Konjunkturprogramm starten. Das könnte auch den Klimaschutz voranbringen

Deutschland steht am Rand der Rezession. Heute wird das Statistikamt Destatis amtlich feststellen, dass die deutsche Wirtschaft im Frühjahrsquartal deutlich geschrumpft ist. Zudem deuten wichtige Frühindikatoren wie der Ifo-Index oder die Auftragseingänge in der Industrie darauf hin, dass sich der Rückgang der Wirtschaftsleistung auch im Sommerquartal fortsetzen dürfte. Schon im Herbst könnte die Arbeitslosigkeit steigen.

Pünktlich mit den schlechten Daten ist in Deutschland eine Debatte darüber aufgeflammt, wie zu reagieren ist. Die Union nutzt die Konjunkturabschwächung, um den eigenen, ohnehin lange vorgebrachten Vorschlägen vor der bayrischen Landtagswahl noch einmal Nachdruck zu verleihen. Der Konsum ist schwach wegen der gestiegenen Ölpreise? Dann lasst uns doch die Pendlerpauschale wieder einführen! Die Inflation frisst die Lohnsteigerungen auf? Dann lasst uns doch die mittleren Einkommen durch eine Steuerreform entlasten!

Auch die Sozialdemokraten nutzen die Lage, um für Lieblingsprojekte Stimmung zu machen. 50 Millionen Euro jährlich sollen für zehn Jahre in umweltfreundliche Gebäudesanierung fließen. Und Umweltminister Sigmar Gabriel will ein "ökologisches Wachstumsprogramm" zum Pfeiler des SPD- Programms für die Bundestagswahl 2009 machen. All das soll natürlich nicht das Ziel von Finanzminister Peer Steinbrück gefährden, 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu erreichen.

Insgesamt ist es durchaus schlüssig, derzeit die Konjunktur staatlich zu stützen. Die deutsche Wirtschaft ist unter Druck: Der Euro hat gegenüber dem Dollar in den vergangenen zwölf Monaten um rund 15 Prozent aufgewertet, was die Exportwirtschaft trifft. Zudem schwächelt die Nachfrage in den wichtigen Absatzmärkten USA, Spanien und Großbritannien. Gleichzeitig setzt der hohe Ölpreis die Margen unter Druck. Durch die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank sind zudem die Finanzierungskosten empfindlich gestiegen. Bei den Privathaushalten hat der Ölpreisanstieg die Einkommenszuwächse aufgefressen; der Konsum fällt als Konjunkturstütze aus. Die Gefahr besteht, dass Deutschland erneut in einen tiefen Strukturpessimismus abrutscht wie in der letzten langen Krise von 2001 bis 2005.

Die Amerikaner haben gerade wieder vorgemacht, wie der Staat eine solch drohende Abwärtsspirale durchbrechen kann: Mit schnell verschickten Steuerschecks an Familien ist es der Regierung bislang gelungen, die US-Wirtschaft vor der Rezession zu bewahren, die zum Jahresbeginn noch die Mehrheit der Volkswirte vorausgesagt hatten.

Dummerweise nur sind die Vorschläge sowohl von Union als auch SPD als Konjunkturspritze ungeeignet. Gabriels Vorschläge scheitern bereits daran, dass die Fördersummen viel zu knapp bemessen sind: Selbst wenn die Mittel für umweltfreundliche Sanierung von Wohnbauten sofort auf 50 Millionen Euro jährlich aufgestockt würden, wären dies ganze 0,02 Promille der deutschen Wirtschaftsleistung. Auch ein ökologisches Wachstumsprogramm nach der nächsten Bundestagswahl 2009 hilft wenig, denn bis dahin ist der Abschwung entweder schon in vollem Gange oder bereits überwunden.

Die Unionsvorschläge sind kaum besser: Die Pendlerpauschale als auch eine Steuersenkung sind nicht Maßnahmen, die mit geringem Aufwand einen möglichst großen Konjunktureffekt bringen. Zum ersten würden die Entlastungen ja zeitlich unbegrenzt gelten, es gäbe also über viele Jahre Steuerausfälle. Zum anderen wäre nicht gesagt, dass die Haushalte das Geld auch schnell ausgeben. Beide Ideen entlasten tendenziell Gutverdiener mehr als Geringverdiener; Gutverdiener aber neigen eher dazu, ihr Geld zu sparen, statt es sofort auszugeben.

Die Pendlerpauschale hat zudem problematische Langzeitfolgen für den Rest der Wirtschaft: Es würde lohnender, weiter entfernt vom Arbeitsplatz zu wohnen. Dies macht Deutschland auf Dauer abhängig von Ölimporten und anfällig für steigende Energiepreise.

Sinnvoll wäre stattdessen, die Grundidee Gabriels aufzugreifen und mit Erweiterungen und Modifikationen aus ihnen ein wirkungsvolles Konjunkturpaket zu schnüren. Eine Möglichkeit wäre, dass man über einen begrenzten Zeitraum den Umstieg auf Autos, Haushaltsgeräte oder Glühlampen mit niedrigerem Energieverbrauch fördert. Denkbar wäre etwa, dass jedem, der bis zum Jahresende ein altes Auto mit hohem Spritverbrauch verschrottet und dafür einen Neuwagen mit einem Verbrauch unter 6 Litern auf 100 km kauft, direkt eine Prämie von ein paar Tausend Euro gezahlt wird. Wer eine energieschluckende Waschmaschine oder Kühlschrank gegen ein sparsames neues Modell ersetzt, erhält 200 Euro. Aber es spräche auch nichts dagegen, selbst die Anschaffung von Energiesparbirnen zu subventionieren - und bis zum Kauf von 10 Stück jeweils 5 Euro zu erstatten.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Konjunkturprogramme sind kurzfristige Instrumente, um die Wirtschaft anzukurbeln. Eine langfristige Klimapolitik können sie nicht ersetzen. So ist etwa Wärmedämmung bei Häusern unbestritten wichtig, dennoch eignet sie sich nicht als Konjunkturprogramm, weil die Baumaßnahmen viel zu langsam anläufen würden, um punktgenau einen Abschwung zu verhindern.

Aber es gibt auch grundsätzliche Einwände: Ein Konjunkturprogramm von einigen Milliarden Euro würde sowieso verpuffen! Schließlich belaufe sich die deutsche Wirtschaftsleistung inzwischen auf knapp 2,5 Billionen im Jahr. Doch diese Kritik übersieht, dass die Finanzspritze mit einem Hebeleffekt verbunden wäre: Die Gelder würden nur fließen, wenn die Bürger tatsächlich konsumieren und auch eigenes Geld in die Hand nehmen. Wie wirkungsvoll selbst kleine Staatszuschüsse sein können, wenn sie mit diesem Hebeleffekt ausgestattet werden, hat sich in den Jahren 2006/2007 gezeigt: Damals konnten die Unternehmen ihre Investitionen schneller abschreiben, was die Nachfrage nach Ausrüstungsgütern deutlich belebt hat.

Ja, aber der Verwaltungsaufwand! Ist das nicht sehr umständlich, selbst Sparbirnen zu erstatten? Auch dieser zweite Einwand ist nicht wirklich überzeugend: Die meisten Haushalte geben sowieso Steuererklärungen ab, da könnten die geförderten Anschaffungen einfach zusätzlich angegeben werden.

Bleibt ein dritter Einwand: Es würde nicht nur die heimische Produktion gefördert - so dürften sich einige Bürger für energiesparende Autos aus dem Ausland entscheiden. Das stimmt. Dennoch würden Beschäftigung und Einkommen im Einzelhandel stabilisiert. Mit einer Summe von 10 Milliarden Euro - etwa 250 Euro pro Haushalt - könnte man also einen spürbaren konjunkturellen Effekt erzielen. Und nebenbei würde der Energieverbrauch der deutschen Wirtschaft gesenkt, was das Land langfristig vorbereitet auf die hohen Preise für fossile Brennstoffe.

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