DVD "Beijing Bubbles": Hommage an Pekings Punks

Vor zwei Jahren überraschte der Film "Beijing Bubbles" mit Geschichten über Punk in China. Nun ist er als DVD erschienen: mit einem Buch und noch einem Film.

Ein eher ungewöhnliches Bild aus dem Reich der Mitte. Bild: rtr

2004 folgten Susanne Messmer und George Lindt den Protagonisten einer kleinen Pekinger Musikszene mit der Handkamera durch die Gegenwelten der Smog-City: Auf Konzerte in den Punkschuppen D22, durch die Gassen der Vororte, in winzige Secondhand-Läden. Der Film "Beijing Bubbles" dokumentierte, was in der "westlichen" Wahrnehmung Chinas bis dato gar nicht eingeplant gewesen war: alternative Lebensentwürfe jenseits eines stummen Bienenstaats in den Fängen des Turbokapitalismus.

Die ehemalige taz-Redakteurin Susanne Messmer und ihr zweiköpfiges Filmteam haben sich damals in ihre Protagonisten verliebt und konnten nicht von ihnen lassen, das merkt man deutlich. Deshalb gibt es nun einen Film nach dem Film, der bezeichnenderweise doppelt so lang geworden ist - und schon deshalb existenzberechtigt ist, weil er Geschichten aus einer Stadt erzählt, die sich permanent selbst überschreibt.

Da auch der Festivalrummel nach der Veröffentlichung von "Beijing Bubbles" und die Mini-Europa-Tour der Pekinger Band Joyside, die dem Film folgte, ihren Platz gefunden haben, reflektiert der Nachfolger auch über den Dokumentarfilm selbst - und den Einfluss, den er auf das Leben seiner Figuren hat.

"Unsere Begegnung ist wie die zwischen einem Braunbären und einem Schwarzbären", schreibt der Musiker Liu Donghong in dem Buch, das nun zusammen mit beiden DVDs erschienen ist: Man versteht sich nicht so richtig, ist sich aber doch am Ende recht ähnlich. Wenn Liu durch die Bauschuttwüste spaziert, die einmal sein Viertel war - hier soll eine weitere Shoppingmall entstehen - und dabei erklärt, dass ihm eigentlich egal ist, dass seine Wohnung einfach gekündigt wurde, fragt Susanne Messmer aus dem Off allerdings ungläubig nach: "Und dagegen hast du nie protestiert?" "Ich?", sagt Liu und zeigt auf seine Nase. "Nein." Es kümmert ihn und die anderen nicht, was die Regierung treibt; umgekehrt hat die natürlich keine Angst vor einer subversiven Kraft aus den Kellerclubs. Das einzige Feindbild bieten die materialistischen Altersgenossen.

In den Aufsätzen, die die DVD begleiten, wird fehlender Aktivismus und Rumhängertum mehrheitlich zum daoistischen Konzept erklärt - aber vielleicht geht es doch einfach nur um "singen, trinken und ficken", wie Joyside-Sänger Bian Yuan sagt. Der Apparat aus Bandbiografien, schönen Reportagen (Karl Bruckmaier trifft "Chinas ersten Beatnik") und Exkursen zu Literatur, bildender Kunst und Film in China (u. a. von Sonja Eismann, Mark Siemons und Susanne Messmer selbst), in der Produktbeschreibung eines bekannten Internetbuchhandels fälschlicherweise zum "dicken Booklet" degradiert, bietet dabei genau jenes Fußnotengerüst, das der unkommentierte Dokumentarfilm ablehnt. Die Auslagerung des Faktischen und Kontextualisierenden macht Sinn. Vielleicht ist es unvermeidlich: aber manche Textstelle sabotiert das, woran beide Dokumentationen so überzeugend und liebevoll arbeiten: das Aufbrechen von West/Ost-Dichotomien und Stereotypen. Wo die Filme Individuen in ihren kulturunspezifisch vermüllten Küchen porträtieren, packen einige Texte erstarrte Formeln wie die vom "Reich der Mitte" aus.

George Lindt berichtet in seinem Behind-the-scenes-Kommentar "Wir werden immer weiterdrehen" von den Reaktionen, die "Beijing Bubbles" auf Festivals auslöste. Ein Fernseh-Kollege, so schreibt er, habe nach der Vorführung gemault, nun seien für ihn mehr neue Fragen offen, als beantwortet würden. Lindt freute sich. Genau darum ging es ihm.

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