Mit dem Familienrecht gegen Kommunisten: Mehr als nur eine Justizposse
Gericht in Catania fällt einmaliges Urteil. Mutter verliert Sorgerecht, weil der Sohn Kommunist ist. Erziehungsberechtigt ist jetzt der stramm rechte Vater.
ROM taz Der 16-jährige Sohn ist Kommunist - und die Mutter verliert das Sorgerecht. Auf diese Kurzformel lässt sich ein Beschluss des Familiengerichts im sizilianischen Catania bringen. In Zukunft, entschied das Gericht, ist allein der stramm rechte Vater dafür zuständig, den Sohnemann wieder auf den "rechten" Weg zu bringen.
Zu Beginn war es wohl nur eine hässliche Trennungsgeschichte. Die Frau, Ärztin, und ihr Mann, Rechtsanwalt, kämpften mit harten Bandagen um das Haus und um die Kinder, neben einer mittlerweile 18-jährigen Tochter zwei Söhne im Alter von 12 und 16 Jahren. Die entscheidende Wendung gab dann der klagende Vater dem Fall. Er, bis vor kurzem Sekretär des Dezernates für Soziales von Catania, setzte die mit der Erstellung eines Gutachtens betrauten Sozialarbeiter auf die richtige Spur.
Als erstes "Beweisstück" liegt denn auch eine Kopie des Mitgliedsausweises der Kommunistischen Jugend bei, aus der hervorgeht, dass - so das Gutachten - der Junge sich in "einem extremistischen Ambiente" herumtreibe; zudem wird der Zirkel der Kommunistischen Jugend mit dem Namen "Tienanmen" kurzerhand beschuldigt, er sei einer jener "Jugendtreffs, in denen der Gebrauch von alkoholischen und psychotropen Substanzen verbreitet ist". Mit anderen Worten: M. P. - so die Initialen seines Namens - ist ein saufender, kiffender Kommunist. Wie schlimm es bei den Roten zugeht, führt das Gutachten dann weiter aus: Vorsitzender des Zirkels sei ein "Volljähriger", und "es scheint, dass er weitere Jugendliche zum politischen Aktivismus gebracht hat". Ein klarer Fall von politischer Kindesverführung also.
Dem Gericht reichten diese Auskünfte der Sozialarbeiter. Eine Anhörung des Jungen fand nicht statt, und ebenso ignorierten die Richter einen Drogentest mit negativem Ergebnis, dem sich M. P. freiwillig unterzogen hatte. Die Mutter wurde kurzerhand verurteilt, dem Vater die Wohnung der Familie sowie die Erziehung der Söhne zu überlassen und Unterhalt zu zahlen.
Eigentlich, so Giovanni Russo Spena, führender Politiker der Rifondazione Comunista, sei der Fall "grotesk und absurd", doch zum Lachen ist Italiens Kommunisten nicht zumute. Russo Spena sieht in dem Gerichtsbeschluss "ein Zeichen für ein Land und eine öffentliche Meinung, die klare Signale des Niedergangs und der Illiberalität aussendet". Und der frühere Minister für Soziales, der Kommunist Paolo Ferrero, wandte sich mit einem Appell an Staatspräsident Giorgio Napolitano: Napolitano möge in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Obersten Justizrates intervenieren.
Überraschendes Verständnis zeigte Giorgia Meloni, Jugendministerin unter Berlusconi und Vorsitzende des Jugendverbandes der postfaschistischen Alleanza Nazionale: "Man kann niemanden kriminalisieren, weil er politisch aktiv ist. Ohne politisch engagierte Jugendliche gibt es keine Freiheit, keine Offenheit, keine Erneuerung", sagte sie.
Leser*innenkommentare
Friedrich Weitner
Gast
Der erste Lacher für Heute, tolle Realsatire, vielen Dank!
Für Deutschland ohne weiteres vorstellbar, aber Länder wie Frankreich oder Italien die ja i.d.R. einen gesunden und vernünftigen Umgang mit Kommunisten pflegen sehr merkwürdig. Die "Berlusconikratur" trägt so langsam ihre Früchte.