Innenminister bei Polizeistudie uneins

HANNOVER (taz) | Die „Fragebogendiskussion“ ist beigelegt, sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer. Doch der Zwist ist offenbar geblieben. Das von Pfeiffer geleitete Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachen (KFN) war im Sommer von der Innenministerkonferenz mit einer Studie zur Gewalt gegen Polizisten beauftragt worden. Doch die Fragen zu Gewalterfahrungen in der eigenen Familie, die Polizisten anonym beantworten sollten, waren teilweise in die Kritik geraten. Diese Fragen hat das KFN inzwischen gestrichen. Pfeiffer warb gestern bei einem Treffen mit Vertretern der Innenminister in Hannover darum, diesen Auftrag zu behalten.

Dennoch haben sich Hamburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen aus der Runde verabschiedet. Und trotz der gestrigen Gespräche, die Pfeiffer gegenüber der taz als „überaus konstruktiv“ lobte, könnten noch weitere Bundesländer folgen.

So kündigte Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) gestern im NDR an, eine Parallelstudie in Auftrag zu geben, und brachte dafür die Deutsche Polizeihochschule in Münster ins Gespräch. „Darüber wird zu reden sein“, sagte Ahlhaus – auch mit den Vertretern anderer Bundesländer, die sich anschließen könnten. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) hatte vergangene Woche erklärt, in NRW eine eigene Studie durchführen zu wollen. Die übrigen Bundesländer wollen sich laut Pfeiffer bis Weihnachten festlegen.

Die aktuelle Debatte steht vor dem Hintergrund einer Initiative mehrerer unionsregierter Länder, Gewalt gegen Polizisten in den Fokus zu rücken. Vor allem Ahlhaus wirbt für strengere Strafen. Ob hierfür ein aktueller Anlass bestehe, könnten die neuen Studien erstmals erhellen. Denn ob die Angriffe auf Polizeibeamte tatsächlich zunehmen, wird in den Bundesländern durchaus unterschiedlich wahrgenommen, wie aus dem SPD-regierten Bremen verlautet.

Die Statistik der Polizei enthält lediglich den Oberbegriff „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, der nicht nur Gewalttaten und nicht nur Taten gegen Polizisten umfasst. Strafanzeigen wegen „Widerstands“ werden heute zwar um etwa ein Drittel häufiger erstattet als vor zehn Jahren, ob dies aber jene „erschreckende Zahl“ ist, mit der Ahlhaus sein Vorhaben begründet, steht damit nicht fest. Das tatsächliche Ausmaß der Gewalterfahrung von Polizisten wurde zuletzt im Jahr 2000 erforscht, ebenfalls durch das KFN. Die neue Studie des Instituts sollte nun, zehn Jahre später, einen Vergleich ermöglichen.

Während Ahlhaus auf eine angebliche Zunahme von Gewalt bei Demonstrationen verweist, verfolgt Pfeiffer eher eine andere Hypothese. Polizisten hätten in Fällen häuslicher Gewalt aufgrund des 2001 erlassenen Gewaltschutzgesetzes deutlich weiter gehende Pflichten zum Einschreiten erhalten, gibt der Forscher zu bedenken. Die Umfrage des KFN soll im Januar beginnen.

RON STEINKE