Der Friedfertige aus Bil’in

Abdullah Abu Rahmeh hatte mit seiner Verhaftung gerechnet. Schon im Juli waren israelische Soldaten in einer nächtlichen Razzia in sein Haus eingedrungen. Der Gründer des „Volkskomitees Bil’in“, das mit wöchentlichen gewaltlosen Demonstrationen gegen die Enteignung palästinensischen Landes und die Errichtung der Trennzaunes auf dem Gebiet des Dorfes protestiert, hatte deshalb Bil’in verlassen und war mit seiner Familie nach Ramallah umgezogen. Am Freitag vergangener Woche kamen die Soldaten auch nach Ramallah. Sie überraschten ihn um 2 Uhr morgens in seinem Bett und legten ihm vor den Augen seiner Frau und seiner drei Töchter die Fesseln an.

Der 39-jährige Oberschullehrer einer christlichen Schule in Bir Zeit ist der 32. Verhaftete aus dem Dorf Bil’in innerhalb der letzten sechs Monate. Der Vorwurf lautet stets auf Volksverhetzung und Aufruf zum Widerstand. Allein mit der Organisation von Demonstrationen macht sich Abu Rahmeh nach dem israelischen Militärrecht strafbar. „Feindliche Aktivitäten gegen unsere Sicherheitstruppen“, so begründet der Sprecher der Grenzpolizei die Verhaftung von Abu Rahmeh. „Er hat die Ordnung gestört.“ Wie genau, wusste der Sprecher auch nicht.

„Unser Kampf zermürbt die Soldaten, weil unser Modell Schule macht“, sagte Abu Rahmeh im Verlauf einer der wöchentlichen Demonstrationen, an denen immer israelische und ausländische Friedensaktivisten teilnehmen. Vor einem Jahr wurde das Komitee von Bil’in mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet. Eigentlich sollte Abu Rahmeh deshalb in diesem Jahr die Laudatio auf seinen Nachfolger halten. Da er wusste, dass ihm die Ausreise verweigert würde, schickte er seine Rede schriftlich. Darin sagt Abu Rahmeh: „Seit Juni brechen israelische Soldaten in nächtlichen Razzien in die Häuser von Aktivisten ein, durchsuchen und verwüsten diese, wenn sie die Aktivisten nicht verhaften können. Ich bin einer von denen, die das erleben mussten. In jedem Moment habe ich das Gefühl, verfolgt, beobachtet und bedroht zu werden.“ Er legte dem Schreiben ein T-Shirt bei mit dem Motto: „Von Berlin nach Bil’in, die Mauer muss fallen“. SUSANNE KNAUL