Die Machtvision von Sarah Palin: Die fröhliche Elchjägerin

Sarah Palin übernimmt das Steuer in John McCains Wahlkampfboot - eine Frau, für die Macht bedeutet, hinter selbstsüchtigen Männern auszumisten, nicht Visionen zu vermitteln.

Der Apltraum der EuropäerInnen. Bild: dpa

Zunächst die gute Nachricht: Der Traum vieler US-AmerikanerInnen ist wahr geworden. Plötzlich ist eine Frau mit dabei im Rennen ums Weiße Haus. Und hier die schlechte Nachricht. Plötzlich ist Sarah Palin mit dabei im Rennen ums Weiße Haus.

Sarah Palin, die 44-jährige Gouverneurin von Alaska, hat alles, was es braucht - das wurde schon wenige Tage nach ihrer Nominierung durch den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain klar -, um zu gewinnen und zum schlimmsten feministischen Albtraum zu werden. Seit knapp zwei Wochen hat sich mit ihrem Aufschlagen auf der Weltbühne die Dynamik des amerikanischen Wahlkampfes völlig verändert. Und plötzlich sind es die des Feminismus-Gedankens unverdächtigen Republikaner, die zu Schrittmachern der Gender-Debatte geworden sind.

Natürlich sind da sexistische Töne in der Kommentierung der attraktiven Politikerin aus dem hohen Norden zu hören, solche eben, über die sich republikanische Frauen zu Recht erregen. Ach ja, übrigens auf einmal auch Männer wie Rudy Giuliani und Mitt Romney.

Und natürlich wird wieder einmal laut überlegt, ob und wie und womit die Mutter von fünf Kindern, das jüngste erst vier Monate alt, ihren möglichen Job und die Führungsrolle mit ihrer Familienrolle vereinbaren kann. Selbstverständlich hatte niemand zuvor Barack Obama so genau gefragt, ob er denn seinen Präsidentendienst wirklich gut mit der Betreuung von Maliah und Sascha, seinen beiden Töchtern, vereinbaren kann.

Ja, ausgerechnet die Republikaner können jetzt von sich sagen, die Ersten zu sein, die Girl-Power in diesem Rennen entfesselt und damit die berühmte Glasdecke hinweggefegt zu haben. Aber die Frau, mit der sie diese lobenswerten Riesenschritte getan haben, sagt von sich selbst, dass sie nie vorhatte, sich in die Politik einzumischen. Schlimmer noch. Die erste potenzielle Vizepräsidentin beschreibt sich selbst als "durchschnittliche Hockey-Mom", als "Pitbull mit Lippenstift" und als eine, die ihrer eigenen Tochter selbst nach einer Vergewaltigung keine Abtreibung erlauben würde. Geschweige denn andere Mädchen und Jungs über Sex überhaupt aufklären wollen würde. Die neue Superfrau glaubt nicht an die Evolution, aber daran, dass Gott schon wusste, was er tat, als er die US-Truppen in den Irak entsandte.

Das kennen wir alles leider schon vom derzeitigen US-Präsidenten George W. Bush. Es jetzt aber aus dem hübschen Mund einer beeindruckend selbstsicheren Frau zu hören, das lässt dann wohl wirklich nichts Gutes ahnen. Für die Frauen nicht, und nicht für den Rest der Welt. Denn während mit ihr zwar das Feminine gefeiert werden wird (schon kaufen US-Amerikanerinnen wie verrückt Sarah Palins Lippenstift-Nummern und ihre Pumps), wird sie dafür sorgen, dass Frauen die mühsam erstrittenen Rechte genommen werden. Einige Kommentatoren (!) feiern Palin schon jetzt als neues "feministisches Idol und für das, was Hillary Clinton angeblich nie getan hat: "Einfach einen Rock anziehen."

Die "anderen" Frauen werden sich nun damit einrichten müssen, dass hier über Nacht das Modell eines Feminismus entstanden ist, der eine Powerfrau als sexy Hockey-Mutter idealisiert, die nebenbei, wenn es gut für die Kids ist, mal eben ein paar Bomben abwirft und "nicht mit der Wimper zuckt", wie Palin es gerne nennt, wenn es um den Dienst an ihrem Heimatland geht. Macht für Mütter, nach dem Motto: "Eine muss es ja machen." Dabei gibt Palin nicht einmal an, es gerne machen zu wollen

Ihre Vorstellung von Macht dient nur dazu, morgens aufzustehen und in dem von selbstsüchtigen Männern angerichteten Augiasstall aufzuräumen. Kein Wunder, dass John McCain, der selbsternannte "Reformer", sie für sich aussuchte. Auch er scheint wenig weitergehende Visionen vermitteln zu wollen - oder zu können -, zu was das US-Präsidentenamt sonst noch so zu benutzen wäre.

Natürlich wollen alle, dass jemand in Washington aufräumt. Das ist nach mehr als 12 Jahren republikanischem Filz und Korruption im Kongress weniger als ein Wunder. Und ja bitte, wenn dann noch eine Frau mitanpackt, die zwar Wölfe aus Flugzeugen erschießen lassen will, aber weit entfernt davon ist, Männer mit anstrengenden Gedanken impotent machen zu wollen, dann ist das schon ein Glücksfall für einen der ältesten und morbidesten Präsidentschaftskandidaten, den das Land je gesehen hat.

Wenn Republikaner nun glauben, dass mit Sarah Palin, dank der Männerclique um John McCain, eine bessere Hillary Clinton erschaffen wurde, dann ist das eine absurde Neuinterpretation weiblicher Ideen von Politik. Doch die Demokraten schauen sprachlos auf sie, wie das Kaninchen auf die Schlange, unsicher, ob sie für das Horrorwesen da oben auf der Bühne mit ihren Vorkämpfen in Wahrheit nicht den Weg bereitet haben. Fakt ist, dass das republikanische Duo plötzlich das strahlende "winning team" des US-Wahlkampfes ist - und Barack Obama sich noch nicht sortiert hat, wie mit diesen um 180 Grad gedrehten Definitionshoheiten umzugehen ist.

Palin, die fröhliche Elchjägerin, so viel steht fest, hat die bis dahin unterkühlte konservative Basis aus ihren Fernsehsesseln aufgescheucht. Sie stehen nun, "fired up and ready to go" bereit, um einen neuen Kulturkrieg heraufzubeschwören. Volk vs. Elite, Heimatliebende vs. Café Latte schlürfende Terroristenfreunde, Kämpfer vs. Weicheier. Ein Kulturkrieg, wie ihn die Republikaner schon meisterhaft in den letzten beiden Wahlkämpfen benutzten - um zu gewinnen.

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