Die Oblate danach

KLERIKALE VERGEWALTIGUNG Die neue Tugend der katholischen Kirche

Gibt es unter dem Dach der katholischen Kirche noch einen einzigen Balken, der nicht verbogen ist?

Die Frauenwelt atmete geradezu hörbar auf: „Kardinal Meisner genehmigt Pille danach für Vergewaltigungsopfer“, meldeten die Medien. Und nein, er meinte nicht nur die Beseitigung der Folgen klerikalen Tuns, sondern auch vor Schwangerschaft durch weltliche Sexualverbrecher sollten Opfer nun geschützt sein. Er hätte sich medizinisch informiert, so hieß es. Danke Kardinal, danke! Nur welcher Schelm hat ihm weisgemacht, es gebe ein Medikament, dass ganz gewiss keine abtreibende Wirkung habe, sondern nur eine mögliche Befruchtung verhindere? Das fragten sich dann auch alle Gäste in der TV-Runde am vergangenen Sonntag bei Günther Jauch. Und gegen den anwesenden radikalen Lebensschützer und Turbokatholiken Martin Lohmann wirkten sie allesamt wie Blumenkinder auf LSD. Lohmann trieb Jauch mit seiner Sicht „Leben ist Leben“ immer mehr ins verblüffte Doppelkinn.

Gibt es unter dem Dach der katholischen Kirche noch einen einzigen unverbogenen Balken? Wo sind die Buttersäuretorten für Sätze wie: „Es ist nicht schlimm, wenn du schwul bist. Aber wenn du die Sexualität lebst, ist es Sünde“ und „Die Sache mit der Selbstentscheidung der Frau ist ja vielschichtig …“ – beides Originalton Ayatollah Lohmann. Nein, keine Torte flog.

Dann sollen die lieben katholischen Lebensschützer gleich Nägel mit Köpfen machen. In Kirgisistan zum Beispiel hat der Brautraub Tradition: Will die Auserwählte nicht heiraten, wird sie entführt und vergewaltigt. Daraufhin ist der Drops gelutscht. Zu ihrer Familie kann sie nicht zurück, also bleibt sie und zieht die Kinder groß – wie praktisch für den Vergewaltiger.

Auch bei uns sollten die Väterrechte gestärkt werden. Das Kind des Verbrechers austragen? Warum nicht! Die Kirche steht ja rührend bei. Und vielleicht heiraten Mutti und Vati auch eines Tages, wenn Vati aus dem Gefängnis gekommen ist, wer weiß?

Ach, wie sagenhaft sanft die katholische Kirche ihre schützenden Greisenhände über die Schwangeren hält. Nur geht manchmal auch etwas schief. So wie in Köln neulich. Oder auch in scheinbar weniger altrömischen Gegenden. Das katholische Krankenhaus Maria Heimsuchung in Berlin gibt jungen Krankenpflegerinnen, so lange wie es der Gesetzgeber nur zulässt, einen Einjahresvertrag nach dem anderen. Frauen in diesem Alter werden nämlich manchmal schwanger. Tritt dies ein, wird die Kollegin mit christlichen Wünschen für ihr weiteres Leben in die Arbeitslosigkeit entlassen. Die Pflegedienstleitung begründet dies mit den Interessen des Arbeitgebers Caritas. In einem der Öffentlichkeit bislang noch nicht bekannten Fall sparte man der erschütterten Schwangeren gegenüber nicht mit Trost: Sie sei schließlich mit einem Medizinstudenten verheiratet, der sie und das Kind dereinst bestimmt ausreichend versorgen könne.

Wurde übrigens schon erwähnt, dass Arbeitslosengeld nicht als Verdienst für das Elterngeld mitberechnet wird? Maria Heimsuchung aber trägt das Prädikat „Mütter- und kinderfreundliches Krankenhaus“. Und bei der Caritas kann man eine Stiftung um Babysachen anbetteln. ULRIKE STÖHRING