Nasses Grab für Kohlendioxid

Norwegen will Vorreiter im Klimaschutz werden: Alle Gaskraftwerke sollen künftig die Treibhausgase abscheiden – und dann unter dem Meeresboden beerdigen

STOCKHOLM taz ■ „Sleipner Field“ heißt eine Bohrinsel, mit der der norwegische Ölmulti Statoil etwa 250 Kilometer vor Norwegens Küste täglich 25 Millionen Kubikmeter Erdgas fördert. Das Problem heißt neun Prozent: So viel Prozent Kohlendioxid enthält nämlich das aus 3.000 Metern Tiefe geförderte Gas. Zu viel für den Markt: In Europa ist Erdgas nur unterhalb von 2,5 Prozent CO2-Anteil verkaufbar.

Das könnte zu gutem Klima beitragen: Die Sleipner-Plattform separiert den größten Teil des Kohlendioxids und pumpt ihn in eine Sandsteinformation tief unter den Meeresboden zurück. Täglich 1,5 Millionen Kubikmeter, knapp 3.000 Tonnen. Seit fast 10 Jahren läuft die Technologie nun, ein Forschungsprojekt begleitet sie. Ein Leck, aus dem das Klimagas wieder nach oben steigt, hat es nicht gegeben.

Norwegen ist als Gas- und Öl-Großexporteur für weltweit 2,3 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich. Mit dem Kiotoprotokoll verpflichtete sich Norwegen, bis 2012 nur 1 Prozent über dem Emissionsniveau von 1990 zu liegen. Das ist nur mit radikal veränderter Verarbeitungstechnik zu erreichen. Für die neue rot-grüne Regierung in Oslo Grund genug, die Sleipner-Methode nun auf die norwegische Energiewirtschaft auszudehnen: Alle neu gebauten Gaskraftwerke müssen ab 2009 Kohlendioxid auffangen und einer Lagerung unter dem Meer zuführen.

Das Intergovernmental Panel on Climate Change – das Expertengremium für Klimafragen der Vereinten Nationen – empfahl Norwegen in einer gerade vorgestellten Studie, aus den Sleipner-Erfahrungen ein Geschäft zu machen. Erste Etappe: Die geplanten Großgaskraftwerke mit CO2-Reinigungstechnik ausrüsten. Dank des Zertifikatehandels mit CO2-Verschmutzungsrechten werde deren Produktion nur unwesentlich teurer als ohne Reinigungstechnik. Etappe zwei: Verflüssigtes Kohlendioxid über Rohrleitungen zu Ölfeldern in der Nordsee transportieren und unterirdisch injizieren. Das wiederum hat den Effekt, dass ansonsten ungenutzte Öl- oder Gasreste, die noch in den Bohrblasen sind, nach oben gepresst werden. Laut der internationalen Energieagentur bieten ausgepumpte Ölfelder weltweit Platz für 130 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Weltweit werden jährlich derzeit 20 Milliarden Tonnen emittiert.

Bleibt die Frage, wie lange das Kohlendioxid sich tatsächlich in seinem nassen Grab hält. Forscher des norwegischen Nansen-Zentrums haben aus den Sleipner-Erfahrungen Computersimulationen vorgenommen. Demnach wäre CO2 fünfhundert Jahre verschlossen. Umweltschützer bezweifeln dies: Zu wenig wisse man über das Ökosystem der Tiefsee und den Zusammenhang mit Meeresströmungen. Was passiert zum Beispiel bei Seebeben? REINHARD WOLFF