Kommentar Flüchtlinge im Nordirak: Christen - unter anderen

Die Minderheiten drohen in den irakischen Machtkämpfen zwischen den Blöcken zerrieben zu werden. Europa - auch Berlin - muss ihnen eine sichere Zuflucht anbieten.

Noch in diesem Sommer versicherte der irakische Präsident bei seinem Berlin-Besuch: Der Irak befinde sich im Aufschwung, das Land sei sicher. So sicher, dass Berlin getrost den Vorstoß von Innenminister Schäuble, die bedrohten Christen nach Deutschland zu holen, vergessen könne. Sie können, nein sollen zurück, denn der Irak brauche die oft gut ausgebildeten Christen. In Berlin schenkte man den Worten von Maliki Glauben. Das war ein Fehler, wie sich jetzt zeigt. Mehrere tausend Christen sind in den letzten zwei Wochen aus dem nordirakischen Mossul geflohen. Und der Flüchtlingstreck reißt nicht ab.

Auslöser war diesmal nicht eine Terroroffensive der al-Qaida im Irak, in deren finsterem Weltbild kein Platz für Andersgläubige ist, egal ob Christen oder Muslime. Im Vordergrund stehen diesmal die Konflikte um die Vertretung der Minderheiten in den künftigen Provinzparlamenten sowie der Streit um die Kontrolle von Gebieten im Nordirak, etwa um Mossul. Uneinig sind sich hier Araber und Kurden und die Minderheiten wie Christen, Schabak, Turkmenen oder Jesiden. Eine schnelle Lösung wird es hier nicht geben, und so lange ist auch die Gefahr von bewaffneten Konflikten nicht gebannt, denen die Minderheiten schutzlos ausgeliefert sind. Deshalb müssen sich Berlin und die Europäer endlich dazu durchringen, den Verfolgten Zuflucht zu gewähren.

In Deutschland aber läuft man derzeit Gefahr, sich allein auf die bedrohten Christen zu konzentrieren und die anderen dringend Schutzbedürftigen zu vernachlässigen. Kirchenvertreter im Irak fürchten um die Existenz ihrer Gemeinden und wollen, dass die Gläubigen bleiben. Das ist verständlich, geht aber ebenfalls an der Realität vorbei. Die ethnischen und religiösen Konflikte im Irak sind alt, und die Folgen der extremen Gewalt der letzten Jahre sind enorm. Insofern muss sich Deutschland auf den hehren Grundsatz des Asylrechts besinnen - jeder Verfolgte hat Anspruch auf Schutz, egal ob Schiit, Sunnit oder Christ. Darüber hinaus sollte Berlin den Regierungsmannschaften in Bagdad und Erbil deutlich machen, dass Minderheitenschutz bedeutet, einklagbare Rechte festzuschreiben.

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