EU-Politiker lassen sich Zeit: Finanzkrise bedroht Klimaschutz

Die Regierungschefs der EU verschieben das Klimapaket in den Dezember: Die wirtschaftlichen Belastungen durch die Turbulenzen liefern den Kritikern neue Argumente.

Das Klimaprogramm der EU sei "kein Problem für die Wirtschaft", sagte Zapatero in Brüssel. Bild: dpa

Das Klimaschutzprogramm der Europäischen Union droht zu platzen. Auf dem am Donnerstag zu Ende gegangenen Gipfel der Regierungschefs stellten Italien und Polen ein Veto gegen die vereinbarten Ziele in Aussicht. Dabei verwiesen sie auch vor dem Hintergrund der Finanzkrise auf die hohen Kosten für ihre Industrie und Energieversorger.

Dennoch halten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten an ihrem Ziel fest, auf dem nächsten Treffen im Dezember, das zeitgleich mit der Weltklimakonferenz in Posen stattfindet, die geplanten Regelungen unter Dach und Fach zu kriegen.

Ziel der EU ist es, den Ausstoß von Kohlendioxid der Mitgliedstaaten bis 2020 um mindstens 20 Prozent zu reduzieren. Sofern die Teilnehmerstaaten des Kioto-Protokolls ebenfalls eine Senkung ihrer Emissionen vereinbaren, will Europa um 30 Prozent reduzieren. Dies soll unter anderem durch eine Quote für erneuerbare Energie in Höhe von 20 Prozent, eine um 20 Prozent verbessert Energieffizienz und ein strengeres Emissionshandelssystem erreicht werden.

Widerstand kommt nun vor allem aus Osteuropa. Polens Energieversorgung hängt nahezu ausschließlich an der Kohle, die Kraftwerke gelten als veraltet. Deshalb will die Regierung Ausnahmen von der Verpflichtung durchsetzen, dass alle Stromversorger die von ihnen benötigten CO2-Zertifikate ersteigern müssen.

Italien hingegen verwies auf die negativen Folgen der Finanzkrise, wegen der der Industrie keine weiteren Belastungen zuzumuten seien. Anders sah das der spanische Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero, der zwar die Kioto-Ziele wohl nicht mehr erreicht, dies aber mit größerem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum als erwartet begründen kann. Das Klimaprogramm der EU sei "kein Problem für die Wirtschaft, es ist einer der besten Auswege", sagte Zapatero in Brüssel.

Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), der in der kommenden Woche mit seinen Amtskollegen der EU das weitere Vorgehen beraten wird, erklärte gestern, dass es keinen Grund gebe, "nur ein Jota abzuweichen von den bisherigen Klimaschutz-Strategien". Er habe den Eindruck, dass die Finanzkrise "missbraucht wird von denen, die schon immer gegen die Energie- und Klimapolitik waren", sagte Gabriel. Diese sei aber sogar "ein Teil der Lösung" auch der Finanzkrise.

Anders sieht das offenbar sein Kollege aus dem Wirtschaftsressort, Michael Glos (CSU). Der ließ der Süddeutschen Zeitung zufolge in seinem Ministerium berechnen, dass die Auflagen der EU zum Klimaschutz den Strompreis in Deutschland um bis zu 10 Prozent steigen lassen könnten. Dies würde eine Mehrbelastung für die Abnehmer von bis zu 10 Milliarden Euro bedeuten. Allerdings haben die Stromkonzerne den Wert der CO2-Zertifikate bereits jetzt in ihre Tarife eingepreist, ohne dafür bezahlt zu haben.

Die Bundesregierung setzt sich innerhalb der EU für eine 100-prozentige Versteigerung der CO2-Zertifikate im Stromsektor ein, will aber die Vorgaben aus dem Europaparlament für das produzierende Gewerbe und die Automobilindustrie aufweichen.

Und damit scheint sich die Bundesregierung durchsetzen zu können. Der französische EU-Vorsitz und die Kommission sagten nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu, bei der Verteilung der Einsparungen bei Treibhausgasen "die spezifischen Gegebenheiten jedes Landes" zu berücksichtigen. "Das ist ganz im deutschen Interesse", sagte Merkel nach dem Gipfel. "Wir haben eine breite industrielle Basis."

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