Soziologe zu Castor-Protesten: "Die Situation ist günstig"

Bewegungssoziologe Dieter Rucht erwartet mehr Castor-Gegner. Richtig viele würden es aber erst, wenn der Atomkonsens tatsächlich gekündigt wird

"Es werden jetzt nicht plötzlich alle Atomkraftgegner nach Gorleben fahren." Bild: dpa

taz: Herr Rucht, um die Castor-Transporte ist es in den letzten Jahren ruhiger geworden. Wie kommts?

Dieter Rucht: Nach dem rot-grünen Atomkonsens sind die Proteste zurückgegangen. Es ist eben schwierig zu mobilisieren, wenn viele glauben, die Schlacht sei geschlagen.

Rechnen Sie damit, dass dieses Jahr wieder mehr Atomkraftgegner dabei sind?

Ja, die Voraussetzungen sind günstig. Der Konsens wird in Frage gestellt, die Atomlobby drängt in die Offensive. Das ist ein Anlass, der die Bewegung aufwecken könnte. Viele haben das Gefühl: Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich habe mit etlichen Leuten gesprochen, die vor 30 Jahren dabei waren und jetzt erstmals wieder mitmachen.

Was heißt das für die Bewegung?

Es werden jetzt nicht plötzlich alle Atomkraftgegner nach Gorleben fahren. Der schlafende Riese wird nicht schlagartig aufwachen. Aber wenn diesmal wieder mehr Menschen dabei sind, kann es einen Domino-Effekt geben, der andere mitreißt. Wenn sich die Situation um die Atomkraft weiter zuspitzt, gibt es ein erhebliches Potenzial.

Was müsste dafür passieren?

Wenn der Atomausstieg ganz offiziell aufgekündigt wird - oder sogar neue Atomkraftwerke geplant werden -, dann wird es vermutlich erneut zu Massendemonstrationen und Blockaden kommen.

Und wenn die Reaktoren einfach nur länger laufen?

Wenn das so eine allmähliche Entwicklung ist - erst ein paar Jahre, dann noch ein paar -, ist die Wirkung geringer. Da fühlt man sich zwar betrogen, das hat aber keinen so großen Mobilisierungseffekt.

Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie nächste Woche in Gorleben?

An solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht. Auch für die Veranstalter ist es problematisch, mit Zahlen zu hantieren: Zu hohe Schätzungen werden als Zeichen von fehlendem Realitätssinn und Selbstüberschätzung gewertet. Umgekehrt können zu niedrige Zahlen einen demotivierenden Effekt auf potenzielle Sympathisanten haben

INTERVIEW: FELIX LEE

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