Folien für U-Bahn-Fenster: BVG befördert blinde Passagiere

Die BVG will die Fenster aller U-Bahnen mit Logos des Brandenburger Tors bekleben. Damit soll das Zerkratzen der Scheiben erschwert werden. Gut gemeint, klappt aber nicht, meint ein Folien-Anbieter.

Das Brandenburger Tor soll demnächst nicht nur die Kühlerhauben der BVG-Busse, sondern auch die Fenster der U-Bahnen zieren. Bild: REUTERS

Die BVG will die Fenster aller U-Bahnen flächendeckend mit Schutzfolien bekleben - und aus Fahrgästen blinde Passagiere machen. Auf den Folien soll flächendeckend das Brandenburger Tor abgedruckt sein. Das Ziel ist es, den Vandalismus zu reduzieren, sagte BVG-Sprecher Klaus Watzlack am Freitag. Er bestätigte damit einen Bericht der Berliner Zeitung. Aus dem gleichen Grund bekommen alle Straßenbahnfenster eine Folie mit grüner Tönung.

Bereits jetzt sind alle U-Bahn-Fenster mit einer Folie beklebt - die ist aber transparent. Sobald jemand das Glas beschädigen will, wird nur die Folie zerkratzt. Sie wird dann von der BVG ausgetauscht. Das ist günstiger, als das ganze Fenster auszutauschen - kostete aber im vergangenen Jahr knapp eine Million Euro. Wenn die BVG nun Folien mit Muster klebt, fallen mutwillige Zerstörungen nicht mehr so stark auf - damit sinkt der Anreiz, die Fenster weiter zu zerkratzen.

So weit die Theorie. Und die Praxis? Immerhin haben die Verkehrsbetriebe in der Vergangenheit 120 Wagen getestet. Dabei wurden die Brandenburger Tor-Folien tatsächlich seltener "gescratcht" - wer eine visuelle Duftmarke hinterlassen wollte, wich auf die anderen Scheiben aus. Aber was ist, wenn es keine Ausweichscheiben mehr gibt?

Bei den Kaufhäusern des Metro-Konzerns oder bei McDonalds gibt es bereits Folien mit Muster. Sie stammen von der Berliner Napierala GmbH. Deren Geschäftsführer Günter Napierala sagt: "Solche Symbole oder Logos schrecken nicht ab, das wird trotzdem zerkratzt."

Auch in der Szene glaubt man nicht, dass die neuen Folien helfen. Die Kratzer "werden ihre Spuren dann einfach größer und tiefer hinterlassen", meint ein Sprayer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Der Künstler Bernd Trasberger von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst hat sich ausgiebig mit Vandalismus und der Reaktion darauf beschäftigt. Im U-Bahnhof Bernauer Straße hat er den Sitzbezug einer U-Bahn auf einer großen Fläche ausgestellt. Er hat beobachtet: "Erst wurden die Sitze beschmiert. Dann hat die BVG die Sitze mit einem krassen Muster ausgestattet, sodass es keinen Unterschied mehr macht, ob da noch jemand etwas draufsprüht."

Jetzt passiert etwas Ähnliches bei den Fenstern. Trasberger: "Die Strategie ist, den Vandalismus bereits vorwegzunehmen und ihn so zu verhindern - aber ob das ästhetisch die beste Lösung ist?"

Zumindest Klaus Staeck hat da so seine Zweifel. "Ich hätte mir das Motiv fantasievoller gewünscht", sagt der Grafikdesigner und Präsident der Akademie der Künste. Berlin sei doch die Stadt der Kreativen, da wäre doch sicher jemandem etwas Besseres eingefallen als dieses "stereotype" Brandenburger Tor.

"Diese Diskussion ist mir zu theoretisch", meint BVG-Sprecher Klaus Watzlack. Zerkratzte Scheiben "sehen aus wie Hund". Den Fahrgästen sei es außerdem egal, wie das Muster auf dem Sitz oder am Fenster aussieht. Hauptsache, es sei alles sauber und ordentlich - das würde auch das Sicherheitsgefühl erhöhen.

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