Ingenieur über Kompostklos: "Spültoiletten als falsches Vorbild"

Nur Kompostklos können sicherstellen, dass die ganze Weltbevölkerung Zugang zu Sanitäranlagen hat, sagt Wolfgang Berger. Der Ingenieur hält sie auch in Deutschland für sinnvoll.

Weiße Spülkeramikschüsseln? Keine Option für die Welthygiene, meint Berger. Bild: dpa

Der 19. November ist Welttoilettentag. Vor sieben Jahren wurde dieser Jahrestag vom ersten Welt-Toiletten-Gipfel in Singapur ausgerufen. Seitdem organisiert die World Toilet Organization (WTO) jedes Jahr ein Treffen von Herstellern, Politikern und Wissenschaftlern. Die Organisation hat 151 Mitglieder in 53 Ländern. Mit dem Welttoilettentag soll daran erinnert werden, dass viele Menschen immer noch keinen Zugang zur Toilette haben. Dieses Jahr wurde zudem von den Vereinten Nationen zum "Jahr der sanitären Grundversorgung" erklärt. FW

taz: Herr Berger, heute ist Welttoilettentag. Braucht die Menschheit den wirklich?

Wolfgang Berger: Uns mag das banal vorkommen, aber für viele Menschen hat das Thema große Relevanz: Weltweit haben 2,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen, also 40 Prozent der Bevölkerung. Diese Zahl wollen die Vereinten Nationen bis 2015 halbieren, das gehört zu den sogenannten Millenniumszielen.

Es geht also um mehr Klos?

Ja, aber nicht nur. Wir brauchen auch andere Toiletten. Täglich sterben 6.000 Kinder infolge von Durchfall. Das liegt an verunreinigtem Trinkwasser und Nahrungsmitteln. Darum müssen Fäkalien so behandelt werden, dass sie nicht in den Wasserkreislauf gelangen.

Was muss passieren?

Mit Spültoiletten, wie wir sie kennen, ist das UN-Ziel auf keinen Fall zu erreichen. Damit verbraucht jede Person täglich 45 Liter Wasser allein fürs Spülen - eine unglaubliche Verschwendung. So viel Wasser steht in den meisten Regionen nicht zur Verfügung. Zudem haben viele Menschen gar keinen Zugang zu Wasser- und Abwasserversorgung.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Ich plädiere für Trockentoiletten. Die brauchen kein Wasser. Um aber das Millenniumsziel noch zu erreichen, müsste ein Riesenprogramm aufgestellt werden, eine Massenproduktion von Zubehörteilen, aus denen vor Ort die Komposttoiletten gebaut werden können.

Warum passiert das nicht?

Weil auf der ganzen Welt die Spültoilette als falsches Vorbild dient. In Deutschland ist sie sogar gesetzlich verankert: Jede Wohnung muss eine haben. Und in vielen Entwicklungsländern gibt es den Wunsch, so zu leben wie hier. Solange wir sie bei uns nicht nutzen, ist es schwierig, anderen zu vermitteln, dass sie die Trockentoilette benutzen sollten.

Und warum gibt es hierzulande kaum Komposttoiletten?

Die Leute haben ein Ekelgefühl, die eigenen Fäkalien im Haus zu behalten. Dabei ist es völlig unproblematisch: Nur einmal im Monat muss man etwa eine Stunde für die Wartung aufbringen. Aber man macht sich dabei nicht schmutzig, und es riecht auch nicht. Trotzdem: Man bekommt mit etwas zu tun, was man vorher ausgeklammert hat.

Wie sieht so eine Komposttoilette denn aus?

Im Keller steht ein Behälter, der be- und entlüftet wird. Jede Toilette wird mit einem Fallrohr an diesen Behälter angeschlossen, dort werden die Fäkalien dann zersetzt. Ein Luftrohr, das zum Dach führt, sorgt dafür, dass es nicht riecht.

Ist die Komposttoilette auch ein Zukunftsszenario für Deutschland?

Durch sparsameren Wasserverbrauch und Bevölkerungsrückgang gibt es in manchen Regionen Deutschlands Probleme mit der Kanalisation. Das ließe sich durch Komposttoiletten vermeiden.

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