Debüt als Nationaltrainer: Maradona macht auf Staatsmann

Die Partynudel mit der Hand Gottes liefert ein enttäuschend gediegenes, dafür siegreiches Debüt als argentinischer Nationaltrainer ab.

Legende außer Rand und Band auf der Bank? Von wegen. Bild: dpa

Jetzt neu: Maradona staatsmännisch
Die Partynudel mit der Hand Gottes liefert ein enttäuschend gediegenes, dafür siegreiches Debüt als Nationaltrainer ab

GLASGOW taz Babak Rafati, der vierte Offizielle, reckte eine Tafel mit einer roten "3" in die Höhe, da ging das Spiel los. Aus beiden Kurven des spärlich besuchten Hampden Park rannten die Leute mit Fotokameras und Mobiltelefonen los, um rechtzeitig zum Schlusspfiff in der Nähe von IHM zu sein. Als der 1:0-Erfolg geschafft war, gönnte sich der neue argentinische Nationaltrainer eine gänzlich irdische Jubelgeste mit der linken Hand. Er umarmte Gabriel Heinze an der Seitenlinie, verabschiedete sich von Schottland-Coach George Burley und ging in die Kabine. Er schien leicht zu humpeln. Vielleicht war die Trainingshose nicht kurz genug.

Millionen von Zuschauern in 150 Ländern wollten am Mittwoch DIEGO MARADONA sehen, den von der WM in Deutschland bekannten Tribünen-Hedonisten und Party-Patrioten. Eine Legende außer Rand und Band auf der Bank - das versprach Spektakel. Die Voyeure wurden enttäuscht. Der Mann, der hier erstmals für die Albiceleste verantwortlich war - zufällig in jenem Stadion, in dem er 1979 als 18-Jähriger sein erstes Länderspieltor geschossen hatte -, war fest entschlossen, nur mehr ein demonstrativ ernsthafter Nationaltrainer zu sein.

Ein aus Frankreich angereister Radioreporter, der den argentinischen Coachingbereich von seinem Platz nicht einsehen konnte, fragte seine Sitznachbarn während der 90 Minuten immer wieder verzweifelt, was Maradona mache. Maradona machte: nichts. Staatsmännisch ungerührt hatte er der Nationalhymne zugehört und den fein herausgespielten Treffer von Maxi Rodríguez zur Kenntnis genommen. In dieser Starre verweilte er noch lange nach dem Abpfiff, als er leise immerhin ein wenig verbalen Pathos in die Veranstaltung trug. "Die Spieler waren heute eine Einheit. Echte Männer, die bereit waren, für das Trikot zu sterben", sagte er.

Die nach acht sieglosen Spielen in Folge verunsicherten Südamerikaner brauchten einen Chef, der so aussah, als ob er alle Antworten kenne und zu jeder Zeit seine Fassung bewahren würde. Sie bekamen ihn. Ob Maradona seine erstaunliche Ruhe nur vortäuschte, war unerheblich. "Ich habe die ganze Woche 100 Prozent dafür gegeben, die Moral der Spieler wiederherzustellen", sagte Maradona, "und ich habe es geschafft, ihnen die Angst vor der Niederlage zu nehmen." Besonders in der starken Anfangsphase wirkten die Gäste wie befreit, auch ohne die Stars Messi, Agüero und Riquelme war Argentinien "technisch eine Klasse besser" (Maradona). Team und Coach scheinen positiv aufeinander zu wirken. Der Weltmeister von 1986 wäre nicht der erste Trainer, der in der Arbeit an der Spielerpsyche sein eigenes Seelenheil wieder findet."Ich musste an Giannina und ihr Baby denken, aber die Jungs haben es einfach für mich gemacht", sagte Maradona mit brüchiger Stimme. Noch in der Nacht flog er nach Madrid, um bei seiner Tochter und dem designierten Schwiegersohn Agüero zu sein. In der Schwangerschaft gibt es Komplikationen.

Einmal durfte er noch lachen, als ihn ein Reporter auf den schottischen Assistenztrainer ansprach - Terry Butcher, der 1986 im WM-Viertelfinale mit England gegen Argentinien unterlegen war. Vor dem Spiel hatte Butcher bereut, Maradona nach dessen betrügerischen Handspiel in Mexiko nicht verprügelt zu haben, und eine Versöhnung ausgeschlossen. "Wer ist Butcher, wer ist Butcher?", fragte Maradona mit gespielter Ignoranz. Butcher ist ein Mann der Vergangenheit, ER seit Mittwoch nicht mehr.

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