Hertha am Wochenende: Keiner weiß, warum Hertha so weit oben steht

Hertha BSC gewinnt in Bochum glücklich mit 3:2 - in der zweiten Halbzeit ging rein gar nichts mehr. Trotz Platz 4 in der Bundesliga sind Trainer und Spieler darum nicht zufrieden. "Wir hatten zuletzt sehr viel Glück", weiß Arne Friedrich.

Ganz in Weiß trat die Hertha aus Berlin beim VfL Bochum an. Passend zum heftigen Schneefall, der mit Anpfiff der Partie einsetzte. Vermutlich lag es auch an den Tarnfarben, dass die Berliner in der ersten Halbzeit die Gastgeber vor unlösbare Aufgaben stellten. Auf dem seifigen Untergrund bewegte sich das weiße Hertha-Ballett wesentlich geschickter, als die Winterschlaf haltenden Bochumer. 3:0 führte die Hertha zur Halbzeit.

Dass es am Ende gerade noch zu einem überaus glücklichen 3:2-Sieg reichte, hatte nicht nur damit zu tun, dass der Schneefall irgendwann aufhörte und die angesprungene Rasenheizung im Bochumer Ruhrstadion den VfL wieder erweckte. Die Berliner stellten nach der Pause das Fußballspiel komplett ein. Keine einzige Torchance gab es für die Gäste. "Am Ende war alles möglich für Bochum, eine psychologische Sache", so Trainer Lucien Favre, und Manager Dieter Hoeneß ergänzte: "Zum Schluss war es eine Nervengeschichte."

21 Torschüsse ließen die Berliner in der zweiten Halbzeit zu - nur Cottbus hat bislang einen schlechteren Wert zu bieten. Eine erschreckende Bilanz, die vermutlich gegen jeden anderen Gegner als die chronisch abschlussschwachen Bochumer nach hinten losgegangen wäre. "Ich hatte das befürchtet", sagte Trainer Lucien Favre hinterher. "Zur Halbzeit haben einige Leute schon vom großen Erfolg geträumt." Favre betont immer wieder, wie eng die Liga sei und dass jeder Punkt aufs Neue erarbeitet werden müsse. Die zweite Halbzeit in Bochum dürfte ihn darin bestätigt haben. Wenn es dann trotzdem noch drei Punkte gibt, ist es umso schöner.

Dass es nicht immer so laufen wird, wissen die Spieler. "Ein Spitzenteam tritt souveräner auf als wir in den zweiten 45 Minuten", sagte Kapitän Arne Friedrich. Die Hertha ist von einem Spitzenteam noch ein wenig entfernt - trotz einer Ausbeute von 27 Punkten, trotz Tabellenplatz vier und nur einem Punkt Rückstand auf die zweit- und drittplatzierten Teams aus Leverkusen und München. "Wir spielen nicht schön", sagt etwa Angreifer Andrej Woronin. "Wir hatten zuletzt sehr viel Glück", ergänzt Friedrich.

Zufall sind die Erfolge dennoch nicht. Was die Hertha derzeit vor allem auszeichnet, ist eine gnadenlose Effektivität vor dem gegenerischen Tor. Und das, obwohl der Toptorschütze der vergangenen Jahre, Marko Pantelic, auch in Bochum zunächst auf der Bank saß. Wegen seiner Verletzung hat der Serbe derzeit seinen Stammplatz verloren. In seinem 100. Bundesligaspiel für die Berliner wurde Pantelic erst zehn Minuten vor Spielende eingewechselt. Die Zeichen stehen auf Abschied. "Bis Weihnachten wollen wir Klarheit haben", sagte Manager Hoeneß. Lucien Favre wollte sich zur Personalie Pantelic erst gar nicht mehr äußern.

Die Tore schießen mittlerweile ohnehin andere. Diesmal waren es Gojko Kacar, Cicero und Raffael. Letzterer sollte nach zuletzt eher mäßigen Leistungen eigentlich auf der Auswechselbank Platz nehmen. Favre setzte ihn dennoch ein. Die Alternative wäre Pantelic gewesen. Eine pragmatische Entscheidung des Trainers, die zum pragmatischen Systemfußball der Hertha passt.

In der Stadt jedenfalls träumen sie mal wieder vom großen Geschäft. Unter der Woche hatte die B.Z. bereits sieben Gründe dafür genannt, weshalb die Hertha schon in der laufenden Saison "reif für die Champions League" sei - wegen Torwart, Abwehr, Trainer, Torgefahr, Konkurrenzkampf, Physis und Heimstärke. Eine beliebige Aufzählung. So ganz genau wissen sie alle nicht, weshalb die Hertha da oben steht. Egal. Das Berliner Selbstverständnis ist es nun mal, endlich wieder mit den ganz Großen spielen zu dürfen. Dazu benötigt es auf Dauer aber mindestens zwei gute Halbzeiten pro Spiel.

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