EU-Vorschläge für Flüchtlingsfragen: Mehr Menschlichkeit für Asylbewerber

Die EU-Kommission will Rechte von Asylsuchenden stärken: Das Arbeitsverbot soll nur noch sechs Monate gelten, Haft für Flüchtlinge soll nur noch in Ausnahmefällen zulässig sein.

Sechs Monate nach Stellen des Asylantrags sollen Zugang zum Arbeitsmarkt haben - so will es die Kommission. Bild: dpa

Die EU-Kommission hat am Mittwoch einen neuen Anlauf unternommen, die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Europa zu vereinheitlichen. Zwar gibt es eine Richtlinie aus dem Jahr 2003, in der sogenannte Mindeststandards festgelegt sind. Doch sie stellen wirklich nur den kleinsten gemeinsamen Nenner dar. In der Praxis ist der Zugang zu Bildung, psychologischer Betreuung, Gesundheitsdiensten und Arbeitsmöglichkeiten von Mitgliedsland zu Mitgliedsland verschieden.

Es hilft ja immer, das Kleingedruckte in europäischen Gesetzen zu lesen. Der europäische "Mindeststandard", auf den sich Asylsuchende bislang beim Arbeitsamt berufen konnten, war so formuliert: "Ist ein Jahr nach Einreichung des Asylantrags keine Entscheidung in erster Instanz ergangen und ist diese Verzögerung nicht durch Verschulden des Antragsstellers bedingt, so beschließt der Mitgliedstaat, unter welchen Voraussetzungen dem Asylbewerber Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird."

Dieser Absatz soll nun durch einen einfachen Satz ohne Hintertürchen ersetzt werden. "Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Bewerber nicht später als sechs Monate nach Stellung des Asylantrags Zugang zum Arbeitsmarkt haben." Für Asylbewerber in Deutschland wäre das eine deutliche Verbesserung. Karl Kopp von Pro Asyl ist aber wenig optimistisch. Schließlich habe die Kommission schon 2003 höhere Standards einführen wollen. "Schon damals ist der Vorschlag kaputt geredet und kaputt verhandelt worden. Ich empfand das als Nullharmonisierung", sagte er der taz. "Die nun geplanten neuen Regeln, zum Beispiel das Haftverbot für Minderjährige, wären sehr weitreichend. Aber es wird nicht so kommen, das wird mit Sicherheit im Rat wieder kaputt verhandelt", glaubt Kopp.

Der für Flüchtlingsfragen zuständige EU-Kommissar Jacques Barrot gab sich gestern kämpferisch. "Unser Ziel ist ein humanes und faires Verfahren für Asylbewerber. Um das zu erreichen, brauchen wir höhere Schutzstandards, einheitlichere Rahmenbedingungen und ein leistungsfähigeres System." Barrot hatte vor Kurzem Folteropfer in einem geschlossenen Aufnahmezentrum für Asylbewerber in Lyon besucht und war offensichtlich schockiert von den Lebensbedingungen dort und der mangelnden psychologischen Betreuung. Er denke sich nicht nur schöne Gesetze aus, kündigte Barrot an. Er werde möglichst viele solcher Zentren besuchen, um die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in den EU-Staaten besser vergleichen zu können.

Derzeit weichen die Asylbewerberzahlen und die Anerkennungsquoten in den Mitgliedstaaten deutlich voneinander ab. Barrot erinnerte daran, dass die Anerkennungsquote für Tschetschenen in der Slowakei praktisch bei null liegt. In Deutschland werden nur 14 Prozent aus dieser Flüchtlingsgruppe aufgenommen, in Österreich hingegen finden 85 Prozent der tschetschenischen Asylbewerber Aufnahme. Doch seit Januar 2005 gilt für die Asylgesetzgebung Mitentscheidung. Im Rat wird nur noch eine qualifizierte Mehrheit gebraucht, das EU-Parlament wird nicht nur angehört, sondern muss zustimmen.

Dennoch scheint Barrot nicht sehr optimistisch, dass es ihm gelingt, die Mehrheit der Mitgliedsländer von seinen Vorschlägen zu überzeugen. Er will eine Klausel im Gesetz verankern, nach der Flüchtlinge nicht mehr in Staaten überstellt werden dürfen, die ihnen keinen ausreichenden Schutz gewähren. Würde die nun geplante Harmonisierung tatsächlich erreicht, dürfte es solche Staaten in der EU aber gar nicht mehr geben.

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