Reue oder Berechnung?: Berlusconi wird Moralapostel

In Italien zerlegt sich die Oppositionspartei mit Korruptionsvorwürfen, die Justiz begeht politischen Selbstmord und der Regierungschef macht auf sittenstreng.

Doppelmoral-Apostel Berlusconi. Bild: ap

ROM taz Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi steht vor einem womöglich epochalen politischen Sieg: Ausgerechnet in der Frage der Korruption zerfleischt sich die wichtigste Oppositionspartei selbst. Und parallel dazu begeht die Justiz, seit 15 Jahren Berlusconis gefährlichster Gegner, politischen Suizid.

Gut gelaunt bummelte Berlusconi am Samstag durch Pescara, Regionshauptstadt der Abruzzen, und diktierte den Journalisten in die Blöcke, im oppositionellen Partito Democratico (PD) gebe es "eine moralische Frage". Verkehrte Welt: Ausgerechnet der Mann, der mehr als ein Dutzend Prozesse wegen Korruption, Bilanzfälschung, Richterbestechung hinter sich hat und mehrfach bloß wegen Verjährung der Straftat davonkam, stellt nun seine politischen Gegner an den moralischen Pranger. Und die liefern ihm das Material, manchmal in geradezu spektakulärer Manier.

Ebenfalls am Samstag begab sich der zum PD gehörende Bürgermeister von Florenz, Leonardo Domenici, nach Rom. Dort kettete er sich vor der großen Tageszeitung La Repubblica an und hielt Schilder hoch, auf denen stand: "Nein zu verzerrender Berichterstattung", "Ja zur Verteidigung der Ehre und der Würde". Die linksliberale Repubblica hatte jüngst über Korruptionsermittlungen gegen zwei Dezernenten aus Domenicis Stadtregierung berichtet. Danach besteht der Verdacht, die Linke habe in Florenz ein Großbauprojekt inklusive eines neuen Stadions gefördert, weil im Gegenzug Gefälligkeiten erfolgt seien.

Doch Florenz ist kein Einzelfall für den Partito Democratico, der erst vor einem Jahr aus der Fusion der Linksdemokraten und der Mittepartei Margherita entstanden ist. Ihr Vorsitzender Walter Veltroni muss sich mit Ermittlungen in Genua wie in Neapel herumschlagen. Und in den Abruzzen wird nächsten Sonntag ein neues Regionalparlament gewählt, da der zum PD gehörende Präsident der Region, Ottaviano Del Turco, im Sommer wegen eines Korruptionsskandals im Gesundheitswesen verhaftet worden war. Doch der Parteiführung fehlt die nötige Autorität, um drastische Schnitte durchzusetzen. So weigert sich der durch den Mega-Müll-Skandal von Neapel diskreditierte Regionspräsident Antonio Bassolino einfach, der Rücktrittsaufforderung durch Veltroni nachzukommen.

Zugleich erledigt sich auch die Justiz selbst. Am vergangenen Dienstag schickte die Staatsanwaltschaft von Salerno ein Großaufgebot von Carabinieri zur Staatsanwaltschaft in Catanzaro. Der Auftrag: Sie sollten umfangreiches Aktenmaterial beschlagnahmen, da der Verdacht bestehe, die Staatsanwaltschaft Catanzaro habe wichtige Ermittlungsverfahren wegen Korruption hintertrieben und den zuständigen Staatsanwalt Luigi De Magistris systematisch diskreditiert.

De Magistris hatte sich mit der Verschwendung von Milliardensummen aus EU-Fördertöpfen in Kalabrien beschäftigt. Sein Verdacht: Politiker des Berlusconi-Lagers sowie der damaligen Mitte-links-Koalition unter Romano Prodi seien in den Skandal verwickelt. Staatsanwalt De Magistris wurden die Fälle entzogen, er wurde mit Disziplinarverfahren überzogen, schließlich strafversetzt. Die Staatsanwälte von Salerno wollten Licht in diese Vorgänge bringen und eröffneten ein Verfahren gegen sieben Kollegen aus Catanzaro. Doch die konterten und eröffneten ein Verfahren gegen sieben Kollegen aus Salerno, und auch sie schickten Carabinieri, um eine "Zurückbeschlagnahmung" der Akten vorzunehmen.

Die Justiz droht sich so der Lächerlichkeit preiszugeben - und die Tür für ein zentrales Anliegen Berlusconis sperrangelweit zu öffnen: die Justizreform. Deren Ziel ist es, die bisher vollständige Unabhängigkeit der Staatsanwälte zu beseitigen und sie an die Kette des Justizministeriums zu legen. Zum ewigen Wohle Berlusconis.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.