Terrorverdacht gegen Atomkraftgegner: Rätsel um Castor-Anschläge

Ein angebliches Bekennerschreiben von Atomgegnern an die taz sorgt in Frankreich für mehr Fragen als Antworten. Offenbar wussten die Behörden früher über die Inhalte Bescheid als der Empfänger.

Auch in Deutschland wurden beim Atommülltransport Schienen sabotiert und Wege versperrt - ohne Terrorismusverdacht zu erzeugen. Bild: dpa

Im Zusammenhang mit Sabotageakten während des jüngsten Castor-Transportes halten französische Anti-Terror-Fahnder weiterhin zwei junge Franzosen mit einem Terrorismusverdacht in Haft. Doch bei ihren Ermittlungen orientieren sie sich nach Deutschland. Dort suchen sie in der autonomen Szene nach Erklärungen für die Vorgänge an wichtigen Eisenbahnstrecken in Frankreich in der Nacht vom 7. zum 8. November. Ein auf Deutsch verfasstes Bekennerschreiben, das bei der taz einging, scheint den Ermittlungen Nahrung zu geben.

Der nicht datierte Text begründet die parallelen Anschläge der fraglichen Nacht, in der ein Atommülltransport von La Hague nach Gorleben rollte, auf vier Zugstrecken in Frankreich, sowie vier Zugstrecken in Deutschland und "mehrere Strecken im Großraum Berlin". In sieben Absätzen erklärt das Schreiben die Aktionen unter anderem mit Widerstand gegen die Atomenergie und die Atom-Endlager in Gorleben und Asse sowie mit Widerstand gegen die staatliche "Rettung des Kapitalismus".

Paradoxerweise kannten die französischen Antiterror-Ermittler den Inhalt des Schreibens schon mehrere Wochen. Ein am 15. November verfasster Bericht der Unterabteilung der Pariser Staatsanwalt, der am 22. November auf der Homepage von Mediapart in Paris veröffentlicht wurde, zitiert aus dem Inhalt des Bekennnerschreibens. Und auch die Unterschrift wirft Fragen auf: "En souvenir de Sébastian". Letzterer soll vermutlich an einen am 7. November 2004 an einer französischen Zugstrecke umgekommenen Anti-AKWler erinnern. Freilich schrieb der tote Briat seinen Vornamen französisch: "Sébastien" - mit einem e am Ende.

Mysteriös ist auch, dass die französischen Ermittler wissen wollen, wann und wo das Bekennerschreiben aufgegeben und wann und wo es angekommen ist. In dem Pariser Dokument der Antiterror-Ermittler heißt es, dass der Brief "am 9 November in Hannover abgeschickt" wurde und "am 10. November angekommen" sei. Die Antiterror-Ermittler wollen zudem wissen, dass die Berliner Zeitung Empfängerin des Briefes gewesen sei. Doch dort ist dieser Bekennerbrief nie angekommen. Vielmehr ging er zur taz. Dort wurde er in das Fach der für Atomfragen zuständigen Redaktion gelegt. Ein Umschlag sowie ein Poststempel mit eventuellem Absendeort des Bekennerschreibens ist in der taz nicht bekannt.

Doch es gibt noch weitere Ungereimtheiten. Am 11. November, drei Tage nach den Sabotageakten gegen die SNCF, hatte die Polizei in großen Razzien neun junge französische Anarchisten und Autonome an verschiedenen Orten des Landes festgenommen. Zwei von ihnen sitzen weiterhin in Haft. Ihnen drohen Verfahren wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung mit terroristischen Zielen". Doch Oppositionspolitiker, Menschenrechtler und Angehörige der Inhaftierten sind überzeugt, dass die Regierung "einen inneren Feind erfinden wolle", so der grüne Abgeordnete Mamère.

Die französische Zeitung Est Républicain weist zudem darauf hin, dass die Polizei die Autonomen sechs Monate lang aus der Nähe observiert habe. Dennoch sei sie nicht in der Lage gewesen, die angeblich von den jungen Leuten begangenen Delikte zu verhindern.

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