Kommentar Schuhwurf auf Bush: Der Schuh des Muntadar

Der Journalist Muntadar al-Zaidi hat mit seinem Schuh-Attentat auf US-Präsident Bush eine Welle der Verehrung im Irak hervorgerufen. Vielleicht geht das Nächste ja gegen die eigenen Machthaber.

Demnächst werden in der arabischen Welt wahrscheinlich Straßen nach ihm benannt, und Eltern werden ihre neu geborenen Jungs stolz Muntadar nennen - nach dem Iraker Muntadar al-Zaidi, der es wagte, US-Präsident George W. Bush seine beiden Schuhe entgegenzuschleudern. In ihrer Verehrung des neuen Volkshelden sind sich viele Araber einig; seine Schuhe werden schon versteigert.

Die irakische Regierung stürzt die ganze Angelegenheit in ein peinliches Dilemma. Zwar räumte selbst die irakische Journalistenunion ein "unprofessionelles Verhalten" ihres Kollegen ein. Dennoch fordert sie von Iraks Premier, Gnade walten zu lassen. Und ob in der Schiitenhochburg Nassirija oder Falludscha, einst Hauptstadt des sunnitischen Aufstands - überall demonstrierten Iraker für die sofortige Freilassung al-Zaidis. Doch die Regierung in Bagdad muss handeln. Nicht nur, weil sie von Washingtons Goodwill abhängt. Sondern auch, weil es im Irak wie in vielen Staaten Gesetze gibt, die die öffentliche Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern verbieten. Bis zu zwei Jahren Gefängnis drohen dem Schuhwerfer.

Seit dieser Woche befindet sich die arabische Seele wieder ein wenig mehr im Gleichgewicht, und Worte wie "späte Genugtuung" und "Schadenfreude" sind zu hören. Zwar ist diese Begeisterung in jedem Fall besser als die für einen Ussama Bin Laden, der der Großmacht Amerika nicht Schuhe, sondern Flugzeuge entgegenschleuderte. Doch der Schuhwurf von Bagdad ist auch ein Symbol für die politische Ohnmacht der Araber.

Was sind schon zwei Schuhe gegen die 150.000 US-Soldaten, die im Irak stehen? Doch diese Geste der Hilflosigkeit genügt, und schon feiert die ganze arabische Welt. Denn weder gegenüber dem übermächtig erscheinenden Westen noch gegenüber den eigenen Regimen scheint es jenseits von Terror und Gewalt viel Spielraum zu geben, um die Lage in der eigenen Region zu verändern.

Möglicherweise macht der politische Einsatz des Schuhwerks demnächst ja Schule, um gegen die eigenen ungeliebten Präsidenten, Könige, Revolutionsführer und Emire zu protestieren? Verdient hätten auch die es allemal.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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