Abgründe des Presserechts: Flug oder Zug?

Scheibe-Wischer (II): Wie ein Mitglied der Chefredaktion von "Bild" mangelnde Ortskenntnis teuer zu stehen kam.

Nach elf Monaten hätte Florian von Heintze wissen können, wie lange man vom Springer-Verlagshaus zum Berliner Hauptbahnhof braucht. Bild: dpa

Alle Jahre wieder: Zum Jahreswechsel gewährt taz-Justiziar und Rechtsanwalt Peter Scheibe Einblicke in die Abgründe des Presserechts.

Das Dasein als Chefredakteur - ein ewiges Jetset-Leben. Oder zumindest ein Leben im Jet. So jedenfalls die Vorstellungen vieler Leser wie auch Journalistenkollegen. Daher verwunderte es zunächst nicht, dass eine Autorin der taz von Florian von Heintze, Mitglied der Bild-Chefredaktion, vernommen zu haben glaubte, dieser wolle von Berlin nach Hamburg fliegen.

Als von Heintze der taz diese Aussage verbieten lassen wollte, ließ er über seinen Anwalt mitteilen: "Flugreisen sind, wie jedermann weiß, besonders umweltbelastend. Auf der Strecke Berlin-Hamburg ist die Nutzung des Flugzeugs angesichts der vorzüglichen Bahnverbindungen - von besonderen Ausnahmefällen abgesehen - gänzlich überflüssig." Wer möchte das nicht unterschreiben?

Der eigentliche Grund für von Heintzes Dünnhäutigkeit steckte jedoch im nächsten Satz: "Herr von Heintze soll hier als Umweltsünder abgestempelt werden." Denn die Wahl zwischen Flieger und Bahn hatte er ausgerechnet nach einer Pressekonferenz, bei der die Klimakampagne "Rettet unsere Erde - Ich mache mit!" vorgestellt wurde, initiiert von Bild und den Umweltverbänden BUND, Greenpeace und WWF. Von Heintze ließ der taz die entsprechende Aussage gerichtlich untersagen.

Um auch noch die letzte Möglichkeit auszuschöpfen, versuchte von Heintze eine Richtigstellung einzuklagen, die den Kotau einer Redaktion für objektive Recherchefehler bedeutet. Die taz veröffentlichte zwar nicht die mit der Klage beantragte Richtigstellung, wohl aber eine eigene Fassung, so dass von Heintze seine Klage für erledigt erklärte.

Als das Gericht schließlich nur noch über die Kosten entscheiden musste, welche von den Erfolgsaussichten der Klage abhängen, wurde die taz eines Besseren belehrt, denn der Kläger räumte hinsichtlich der "lockeren Runde" nach der Pressekonferenz ein: "Als er sich verabschieden wollte, wurde er von hinten von einer ihm unbekannten Dame angesprochen, die mit ihm irgendetwas erörtern wollte. Der Kläger hat dies höflich abgewehrt, da er zum Bahnhof musste, dabei hat er sich versprochen, aber sogleich wieder korrigiert. Ungefähr wörtlich hat der Kläger zu der ihm unbekannten Dame gesagt: ,Tut mir leid, ich muss gleich zum Flieger, äh, zur Bahn …' und sich sogleich und noch im selben Atemzug mit der Frage an die Umstehenden gewandt: ,Wie lange braucht man mit dem Taxi zum Hauptbahnhof?', da dem Kläger die Fahrzeiten zu dem erst unlängst eröffneten neuen Berliner Hauptbahnhof noch nicht bekannt waren."

Das Gericht folgte den Einwänden der taz, dass auch damals schon Teile der Bild-Redaktion in Berlin ansässig waren, und der Kläger aufgrund seiner Position in den elf Monaten seit Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs genügend Gelegenheit für Zugfahrten zwischen beiden Städten gehabt haben dürfte - so er denn tatsächlich nicht fliegt -, und bürdete ihm schließlich mit noch nicht rechtskräftigem Urteil die Kosten des Verfahrens auf. Geld, das Bild nun für die Rettung des Weltklimas fehlt.

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