Vorerst Entwarnung für Deutschland: Gas-Reserven reichen 40 Tage

Auch in Deutschland kommt weniger russisches Gas an - doch allzu große Sorgen müssen sich die Bürger wohl keine machen. Denn die Gasspeicher sind gut gefüllt.

Gefüllt: Erdgasspeichers Reitbrook des Netzbetreibers e-on Hanse bei Hamburg. Bild: dpa

BERLIN taz Nachdem am Montag bereits Österreich, Bulgarien und einige andere südosteuropäische Länder deutlich weniger russisches Erdgas als gewöhnlich bekamen, ist die Aufregung nun auch in Deutschland angekommen. Am Dienstag meldete die Eon Ruhrgas AG einen Rückgang der Lieferungen. Es gebe zwar auch andere Lieferanten und zudem Lagerbestände, die Versorgung könne im Augenblick also sichergestellt werden. "Aber auch unsere Möglichkeiten stoßen an ihre Grenzen, wenn diese drastischen Lieferkürzungen anhalten und die Temperaturen weiterhin auf sehr niedrigem Niveau bleiben", erklärte Eon-Ruhrgas-Chef Bernhard Reutersberg.

Am süddeutschen Ende der ukrainischen Pipeline war nach Unternehmensangaben am Dienstagvormittag bereits erheblich weniger Gas als üblich eingetroffen. Für die kommenden Tage wurde ein Totalausfall erwartet. Andere deutsche Versorger sehen die Lage allerdings gelassen. RWE sieht zum Beispiel derzeit keine Auswirkungen auf die Versorgung seiner Kunden. "Wir haben die Lage im Griff", sagte ein Sprecher der Vertriebsgesellschaft RWE Energy in Dortmund. "Selbst ein zeitlich befristeter Lieferstopp ließe sich ausgleichen." Beim Leipziger Gasimporteur VNG heißt es: "Wir haben alle Lieferungen vertragsgemäß erhalten. Die Verträge sind bisher zu 100 Prozent erfüllt worden, und unsere Speicher sind auch voll." VNG, das vor allem Ostdeutschland beliefert, erhält 48 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland, allerdings nicht über die Ukraine, sondern über Weißrussland. Während manche europäische Länder wie die Slowakei oder Bulgarien vollständig von russischem Gas abhängig sind, bezieht Deutschland nur 37 Prozent seines Gases aus Russland. Außerdem wird Deutschland nicht nur über die Ukraine, sondern auch mit einer durch Weißrussland und Polen verlaufenden Pipeline versorgt.

Weitere wichtige Gaslieferanten sind Norwegen und die Niederlande. 15 Prozent des Verbrauchs stammt zudem aus heimischen Quellen. Außerdem wies Gazprom ausdrücklich darauf hin, dass seine Kunden nach Möglichkeit auf Wegen beliefert werden sollen, die nicht durch die Ukraine führen. Darüber hinaus hat Deutschland europaweit die größten Speicherkapazitäten für Erdgas, in denen derzeit etwa ein Viertel des Jahresverbrauchs 2007 lagert. Beim Branchenverband ist man daher ganz entspannt: "Um die derzeitigen Schwankungen und Lieferausfälle aus Russland auszugleichen, können die Erdgasmengen aus anderen Ländern wie Norwegen oder den Niederlanden kurzfristig teilweise erhöht werden", meint Martin Weyand, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Nach Angaben des Außenhandelsverbands für Mineralöl und Energie reichen die Speicherkapazitäten in Deutschland für rund 40 Wintertage.

Fragt sich also, was der Grund für Eons drastische Wortwahl war. Durch hartnäckiges Nachfragen war am Dienstag beim Konzern jedenfalls zu erfahren, dass Gazprom in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen die Lieferungen über die Weißrusslandroute gesteigert hatte.

FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte dennoch die Abhängigkeit von russischem Gas. "Es ist eine Lehre auch für uns", sagte er über den Konflikt zwischen Moskau und Kiew. Wer energiepolitisch einseitig abhängig werde, verliere auch wirtschaftliche und außenpolitische Unabhängigkeit. Der FDP-Chef sprach sich für einen Energiemix aus, zu dem auch die Kernenergie gehören müsse. JOHANN MARTENS

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