Von Pillen bis zur Finanzkrise: Die neuesten Kapriolen des Vatikan

Die Finanzkrise sei vom Teufel gesandt, die Antibabypille verantwortlich für die Umweltverschmutzung: Was bedeuten solche skurrilen Verlautbarungen des Heiligen Stuhls?

Nicht immer unmittelbar am Puls der Schar seiner Gläubigen: der Papst. Bild: dpa

Eine der schönsten Szenen in dem Film "Der letzte Kaiser" ist, wenn der junge chinesische Herrscher Pu Yi allein mit seinem Freund, seiner Braut und seinem Hauslehrer in gigantischen, verlassenen Palastanlagen Tennis spielt. Man hört das Plocken des Balles sehr genau zwischen den verödeten Mauern hallen. Pu Yi darf seinen Palast, die Verbotene Stadt, nicht verlassen. Hier ist er Kaiser, seit Jahren noch immer, während draußen, vor den Mauern, China schon lange als Republik existiert.

Im Vatikan geht es etwas betriebsamer zu. Der kleinste Erdenstaat mit 450 Staatsbürgern hat eine eigene Flagge, eine eigene Hymne, ein Autokennzeichen, eine Vatikanische Post, Apotheke, Fernsehzentrale, einen Radiosender, der auf seinem ersten Kanal auch mal Abba-Songs spielt, eine eigene Zeitung, eine Sternwarte, eine Fußballnationalmannschaft und ein "Amt für Philatelie und Numismatik", denn der Vatikan gibt eigene Briefmarken und Münzen heraus, was eine seiner Einkunftsquellen ist. Und natürlich strömen Millionen Besucher hinein und beleben die Vatikanstadt, die mit ihren Palazzos, Gärten, Kirchen und Museen Teil des Weltkulturerbes ist und auf der Unesco-Liste der zu schützenden Kulturgüter steht.

Anfang des Jahres nun ließ der päpstliche Heilige Stuhl verlauten, dass man für den Staat der Vatikanstadt in Zukunft nicht mehr automatisch die italienische Gesetzgebung übernehme. Als offizieller Grund wurde angegeben, die italienische Regierung erlasse zu viele unübersichtliche Rechtsvorschriften, diese seien zudem unbeständig und stünden oft im Widerspruch zu den Grundsätzen der Kirche. "Der Vatikan kündigt Italien den Gesetzesgehorsam auf", oder "Der Vatikan bricht mit italienischem Recht", titelten die Zeitungen. Doch was so dramatisch klingt, ist eigentlich kein großer Aufreger. Auch bislang es gab es für den Vatikanstaat, eine absolute Monarchie, immer die Möglichkeit, italienische Gesetze nicht zu übernehmen. Zudem erstreckt sich sein Geltungsbereich auf einen überschaubaren Kreis von Bürgern, von denen die meisten Geistlichen sind. Im Grunde klingt die Ankündigung des Heiligen Stuhls so, als würde Pu Yi in der Verbotenen Stadt die Tennisregeln ändern.

Erst seit rund 80 Jahren existiert der Vatikan als souveräner Staat; auf die damals zwischen Pius XI. und Mussolini ausgehandelten Lateranverträge geht auch die Regel zurück, dass hier in Rechtsfragen, die kirchlich nicht geregelt sind, automatisch die italienische, respektive römische Gesetzgebung anzuwenden sei. In Zukunft gilt das Umgekehrte, der Vatikan muss die Gesetze ausdrücklich genehmigen. Dass Benedikt XVI. den alten Usus jetzt aufkündigt, wird nicht nur praktische, sondern auch strategische Gründe haben. Als nun schon zweites nichtitalienisches Kirchenoberhaupt in Folge möchte er sich deutlicher von der italienischen Regierung abgrenzen, was an sich besehen nicht das Schlechteste ist. Abgrenzen will er sich aber auch gegen internationale Abkommen, die in Zukunft einer eingehenden Prüfung unterzogen werden sollen. Konkret geht es um die alten Streitthemen, die bei der katholischen Kirche immer mit Sex oder dem Leben zu tun haben: Der Vatikan will nicht, so hypothetisch das auch immer wäre in Italien, Gesetze zu Homolebenspartnerschaften oder Sterbehilfe unterstützen. Zuletzt hatte er eine UNO-Erklärung gegen die Verfolgung von Homosexuellen nicht unterzeichnet.

Was bedeuten die Verlautbarungen des Heiligen Stuhls? Immer wieder tönen skurrilste Appelle aus dem märchenhaft himmlischen Hofstaat heraus: der Gazastreifen sei ein Konzentrationslager, die Wirtschaftskrise vom Teufel gesandt (so angeblich der Hausexorzist des Vatikans), die Antibabypille mit ihren "Ausflüssen an Hormonen" die Ursache für Umweltverschmutzung und Sterilität der Männer - nur einige der letzten Meldungen, die in die Presse gelangten. Wer des unerquicklichen Pingpongspiels zwischen reaktionärer Kirchenhaltung und empörter Kirchenkritik müde ist, mag solche Äußerungen als Schrullen abtun. Immerhin findet draußen, vor den Mauern der katholischen Ignoranz, ein ganz anderes Leben statt, an dem die katholische Kirche beharrlich vorbeideklamiert.

Die Kirche will Zeichen setzen, sie will mitmischen, aber sie will nicht, dass man sich in ihre Angelegenheiten einmischt. Den Beschluss, die italienische Gesetzgebung nicht mehr automatisch übernehmen zu wollen, geht in diese Richtung. Man kann ihn allerdings auch anders lesen, denn im Grunde plädiert der Vatikan für eine klare Trennung von Kirche und Staat. Na endlich.

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