Feindliche Übernahme der "Liberazione": "Prawda" italiana

Erst die Leser verloren, jetzt die Unabhängigkeit: Die italienische Tageszeitung "Liberazione" droht zum Organ der kommunistischen Partei zu werden. Außerdem droht die Insolvenz.

Liberazione heißt Befreiung: Ein zynischer Name für das Sprachrohr einer Partei. Bild: screenshot liberazione.it

Seit letztem Freitag hat die italienische Tageszeitung Liberazione mit Dino Greco einen neuen Chefredakteur. Der Clou an der Geschichte: Greco ist überhaupt kein Journalist. Die bisherige Berufserfahrung des 56-Jährigen beschränkt sich auf seine Tätigkeit als Gewerkschaftsfunktionär. Dass Greco jetzt Piero Sansonetti als Chefredakteur ersetzt, legt daher den Schluss nahe, dass Liberazione zum Organ der kommunistischen Partei umfunktioniert werden soll.

Seit ihrer Gründung 1991 gehört Liberazione der Partei Rifondazione Comunista, die sich seit letztem Sommer unter neuer Führung von Paolo Ferrero auf ihre alten kommunistischen Werte besinnt (siehe taz vom 14. Januar). Der neuen Parteiführung passte es gar nicht in den Kram, dass Liberazione-Chefredakteur Sansonetti in seinem Blatt eine offene Linke propagierte, die sich nicht nur für die Belange der Arbeiter, sondern auch für Ökologie, Bürgerrechte, Einwanderer und Homosexuelle einsetzt. Dass Liberazione 2008 - auch aufgrund gekürzter staatlicher Förderung - ein Rekordminus von 3,5 Millionen Euro einfuhr und die Auflage in den letzten Jahren von ursprünglich 10.000 auf 6.000 fiel, war eine Steilvorlage für die Parteifunktionäre: Sansonetti wurde kurzerhand abgesetzt.

Der neue Chefredakteur bemüht sich nun redlich, den Eindruck zu zerstreuen, Liberazione werde eine Wiederauflage der russischen Prawda. In seinem ersten Leitartikel am Freitag schreibt Dino Greco: "Die Angst, dass sich die Zeitung in eine Art Herrschaftsinstrument der Partei verwandelt, die von einem Parteikommissar und Wächter der Orthodoxie mit zensorischem Eifer geleitet wird, entbehrt jeder Grundlage."

In der Redaktion der Zeitung sieht man die Sache freilich ganz anders: Greco habe keinerlei Ahnung, wie man eine Zeitung macht. Wofür sei denn ein Chefredakteur da, der nichts vom Journalismus verstehe - außer um die politische Ausrichtung der Zeitung zu kontrollieren? In Redaktionskreisen wird erwartet, dass mindestens 25 der 35 Redakteure von Liberazione Greco bei einem Votum Anfang nächster Woche ihr Misstrauen aussprechen werden. Mit diesem Zeichen hoffen die Redakteure den neuen Chefredakteur so schnell wie möglich hinauszuekeln - und mit ihm Fulvio Fania, den neuen stellvertretenden Chefredakteur, der bisher als Vatikankorrespondent eine eher bescheidene Rolle bei Liberazione spielte. Seinen rasanten Aufstieg in die Chefredaktion hat er dem italienischen Pressegesetz zu verdanken. Letzteres schreibt vor, dass jede Zeitung von mindestens einem professionellen Journalisten geleitet werden muss - Fania wollte als einziger den Job.

Es kann aber immer noch schlimmer kommen: Am 31. Januar wird entschieden, ob und an wen Liberazione verkauft wird. Als wahrscheinlicher Käufer gilt Luca Bonaccorsi, 40, umstrittener Herausgeber der Zeitschrift Left. Bonaccorsi ist Anhänger des Psychoanalytikers Massimo Fagioli, der wie ein Guru Teile der italienischen Linken an sich gezogen hat, obwohl er behauptet, Homosexualität sei eine verirrte, aber heilbare Neigung. Bisher war Liberazione eher für schwulenfreundliche Positionen und ihre Wochenendausgabe Queer bekannt.

Für Liberazione könnte es aber auch von rechts eng werden: Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat angekündigt, die existierende Presseförderung für Parteizeitungen abzuschaffen. Falls er seine Drohung wahr macht, droht Liberazione das finanzielle Aus - egal ob als Parteiorgan oder als unabhängige Zeitung.

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