Kommentar Bankenrettungspakete: Britisches Roulette

Die britische Regierung orientiert sich bei ihrem Rettungspaket an den Schweden, die Anfang der 90er-Jahre ähnliches getan haben – ein Fehler, denn die heutige Krise ist beispiellos.

Machen wir es doch wie die Schweden! Je weiter sich die globale Finanzkrise zuspitzt, desto häufiger wird an die schwedische Bankenkrise Anfang der 90er-Jahre erinnert. Damals ereignete sich eine Art Wunder: Schweden rettete seine Banken vor dem Kollaps - und am Ende fuhr der Finanzminister sogar noch einen kleinen Gewinn ein, als er die verstaatlichten Institute wieder verkaufte.

Doch Geschichte wiederholt sich nie. Es führt völlig in die Irre, die schwedische Bankenkrise zum Vorbild zu küren - war sie doch geradezu niedlich, wenn man sie mit dem jetzigen Kollaps vergleicht. Denn in den vergangenen 15 Jahren hat sich die Kreditbranche derartig aufgebläht, dass sie die Finanzkraft eines jeden Staates zu sprengen droht.

Wenn ein Vergleich mit Schweden taugt, dann nur, um zu begreifen, wie sehr die Finanzbranche inzwischen außer Kontrolle geraten ist. So sprach die schwedische Regierung damals eine Garantie für die Bilanzsummen aller inländischen Banken aus - das entsprach 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Heute wäre eine solche Garantie gar nicht mehr möglich, weil allein die Deutsche Bank im Jahr 2007 auf eine Bilanzsumme von 2 Billionen Euro kam, was 80 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung entsprach. Die Staaten stecken in einem Dilemma: Die heutigen Banken sind zu groß, als dass man ihre Pleite riskieren könnte - aber sie sind auch zu groß, um sie zu retten.

Dieses Paradox zeigt sich nirgends deutlicher als in Großbritannien, das am Montag ein weiteres Rettungspaket auflegte. Rund 200 Milliarden Pfund will London aufwenden, um Banken und Unternehmen aus der Kreditklemme zu befreien. Diese gigantische Summe entspricht rund 15 Prozent der britischen Wirtschaftsleistung - und trotzdem ist der Ausgang ungewiss. In Schweden waren nur 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nötig, um die Banken definitiv zu retten.

Ein letzter Unterschied: In Schweden handelte es sich um eine reine Immobilienblase; den faulen Krediten standen also reale Werte gegenüber. In der jetzigen Finanzkrise hingegen stapeln sich die Schrottpapiere, die völlig substanzlos sind. Diese Krise ist ohne Vorbild, so bitter es ist.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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