Wahlanalyst zum SPD-Hessen-Debakel: "SPD könnte 50 Wahlkreise verlieren"

Wahlanalyst Lüthke rät der SPD, langsam mal ihren Umgang mit der Linkspartei zu klären. Ansonsten drohe im September ein Desaster.

Die SPD muss sich in zentralen Fragen aus der Umarmung Merkels befreien, meint Lüthke. Bild: dpa

taz: Herr Lüthke, war Hessen für die SPD ein regionaler Unfall?

Thorsten Lüthke: Ja. Sie hat in einem Stammland nochmal dramatisch verloren. In Hessen ist jetzt eine ganze politische Generation der SPD im Abseits gelandet. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die SPD auf Bundesebene für die falsche hessische Taktiererei abgestraft wird.

Die Wahl hat keinerlei Bedeutung für die Bundesebene?

Doch. Für Schwarz-Gelb war das ein riesiger Sieg, für die SPD ein miserabler Wahljahr-Auftakt. In einer wichtigen Hochburg hat die SPD fast 400.000 Zweitstimmen gegenüber 2008 eingebüßt. Die Linke konnte sich in einem westdeutschen Flächenland etablieren. Seit 1994 lässt sich die SPD mit "roten Socken" vorführen. Sie muss endlich eine Strategie zu diesem politischen Gegner entwickeln, sonst wird sie nach der Bundespräsidentenwahl und der Wahl in Thüringen in dieselben Fallen tappen.

Worauf muss die SPD im Wahlkampf setzen?

Die SPD braucht die Auseinandersetzung mit der Union um echte Fragen: Soll es einen Mindestlohn geben? Bleibt es bei der Zwei-Klassen-Medizin? Dafür muss sie sich aus der Umarmung von Merkel befreien. Wenn es um die großen Fragen geht, verlieren die kleinen Parteien an Bedeutung. Nur so kann die SPD wieder mobilisieren.

Und wie geht die Bundestagswahl aus?

Schwarz-Gelb ist noch nicht gesetzt, aber bisher ist die SPD nicht fit für den Wahlkampf. Wir haben kürzlich eine Projektion veröffentlicht. Danach könnte die SPD rund 50 von 150 Bundestagswahlkreisen verlieren, die sie 2005 direkt gewann. Entscheidender Faktor auch hier: die Linkspartei. Wenn sie im September der SPD die notwendigen Stimmen abnehmen kann, hat die Union an vielen Orten leichtes Spiel.

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