Hilfe für US-Wirtschaft: Obamas Monsterkonjunkturpaket

Statt die Misere der USA Stück für Stück zu bekämpfen, legt Obama ein Konjunkturprogramm auf, das alles umkrempeln will. Und könnte damit leicht scheitern.

Fasst auch mal selbst an: US-Präsident Barack Obama.

WASHINGTON taz Man muß es sich so vorstellen: Während das Obama-Team im Weißen Haus noch die Kaffeemaschine und die Toiletten sucht, muss es bereits im Stundenrhythmus Entscheidungen treffen, die über Aufstieg oder Fall der ganzen Nation entscheiden werden. Der neue US-Präsident Barack Obama wird allein, ohne Kompass, ohne Lotsen, aufbrechen müssen in völlig unbekanntes Territorium. Seinen Schreibtisch wird ein Minenfeld umgeben, wie es kein Präsident vor ihm erlebte: Zwei Kriege, eine blutige Krise im Nahen Osten, ein heruntergewirtschaftetes Land, eine weltweite Wirtschaftskrise und Heilserwartungen in der ganzen Welt, die so groß sind, dass sie nur Angstschweiß erzeugen können.

Um innenpolitisch sicher durch die ersten 100 Tage zu kommen, hätte sich Obama dafür entscheiden können, das viele Geld, dass nötig ist, um die Wirtschaft wieder flott zu kriegen, vorsichtig auszugeben. Er hätte sich zunächst auf kleine, symbolische und handhabbare Reformprojekte konzentrieren können. Eins nach dem anderen, wie der generelle Rat an neue Präsidenten eben lautet. Er hätte erklären können, dass er Steuererleichterungen für die Mittelschicht plant, die Infrastruktur aufmöbeln und die Gemeindehaushalte sanieren will - und alle wären erst einmal zufrieden gewesen.

Doch in seiner Grundsatzrede vom vergangenen Donnerstag tat Obama etwas, von dem ihm gestandene Politikberater nur kopfschüttelnd abraten würden. Er kündigte an, in sein Konjunkturpaket nicht nur die großen Brocken wie Steuerkürzungen, die Investitionen in die Infrastruktur und die Budgethilfen an die Bundesstaaten einzuschnüren. Sondern er will zusätzlich auch noch alle möglichenn anderen Punkte einbeziehen: Flächendeckende Broadband-Projekte, Bildungsförderungsprogramme, ein neues Stromnetz, Wissenschaftsförderung, Lehrerqualifizierung, Bibliotheken und was es sonst noch so geben könnte im Werkzeugkasten des Weißen Hauses.

Soviel ist daher schon klar: Die Präsidentschaft des Barack H. Obama wird sich messen lassen müssen an dem waghalsigen Selbstvertrauen des Politikers Obama. Am Donnerstag versprach er, alles auf einmal angehen zu wollen. Sein Konjunkturprogramm hat daher gute Chancen ins Guniness Buch der Rekorde aufgenommen zu werden, als der dickste, komplexeste Klops an Gesetzentwürfen, den jemals ein Präsident zusammengeknetet hat. Und als wäre das nicht für Schwarzseher schon Grund genug, Scheitern auf breiter Front vorherzusagen, versprach Obama obendrein, ihn “per unbefleckter Empfängnis” durch den Kongreß zu bringen, wie der New York Times-Kolumnist David Brooks lästerte.

Denn auch den Gesetzgebungsprozeß, der das Monsterpaket durch den Kongreß drücken soll, will Obama neu erfinden. Er will die Politik des Landes verändern, die alten Washingtoner Trickspieler mit hemmungsloser Transparenz austricksen. An seine Gesetze sollen keine sachfremden Entwürfe, sogenannte "earmarks", oft geschrieben zur Freude und Bereicherung des eigenen Wahlkreises, angehängt werden. Lobbyisten soll kein Gehör geschenkt werden. Kurz Obama ruft die Abgeordneten dazu auf, die Haltung von franziskanischen Mönchen einzunehmen und sein Paket in den kommenden Wochen bitte mal eben durch beide Kammern zu bugsieren.

Und das ist noch nicht alles. Der 47-jährige Präsident-im-Wartestand versprach dazu noch, ab kommendem Monat die Reparaturarbeiten an den maroden sozialen Sicherungssystemen, der Social Security, aufnehmen zu wollen. Und am noch maroderen US-Gesundheitssystems, Medicare. Aber allein die Erschaffung eines modernen, aber dringend benötigten Energieversorgungsnetzes erfordert die Revision hunderter Regularien, Verordnungen und Gesetze auf Bundes- Staats und Lokalebene. Glaubt Obama allen Ernstes, dass im Mai die Bautrupps ausfahren werden, um an die Arbeit zu gehen?

Ist er verrückt, möchte man ihn fragen. Doch gleichzeitig begrüßt man den Mut, den er und sein Team haben. Denn ihre Strategie der Totaloperation leuchtet ein, angesichts der Misere, in der die Vereinigten Staaten nach acht Jahren Mißwirtschaft, Korruption und Ignoranz stecken.

Niemand kann wirklich sagen, wie ein effektives Konjunkturspaket aussehen soll. Erst vor drei Monaten verabschiedete der US-Kongreß ein 165-Milliarden-Programm dass, soviel ist bereits gewiss, so gut wie keinerlei Wirkung in der Wirtschaft entfaltete. Diese Rezession, sind sich US-Historiker einig, geht tiefer als die vorherigen, aber neue Ideen, wie damit umzugehen ist, gibt es keine. Daher gibt es für Obama immerhin die Chance, dass es diesmal keiner besser weiß. Es gibt keine historischen Vorbilder, keine schon erprobten Rezepturen.

Laut Expertenmeinung sind die einzelnen Teile des Obama-Pakets gut durchdacht. Es sei keine Spur von Verschwendung oder neuer Vetternwirtschaft zu entdecken, sagen sie. Vielleicht hat Obama wirklich das Talent, den Kongreß mitzureißen, der in seiner Not, Linderung bringen zu müssen, williger sein wird als sonst. Er wird es allemal brauchen. Denn sollte sich sein großer, ja gigantischer Wurf im Dickicht der Abgeordnetenpolitik verheddern, hätte Obama alles Vertrauen verspielt, dass er noch für die restlichen vier Jahre benötigt.

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