Antiraucher-Lobby beeinflusst EU-Parlament: In der rauchfreien Zone

Auf den allerletzten Drücker hat das Europäische Parlament eine Konferenz verboten, auf der sich Betroffene und Wissenschaftler kritisch mit dem Rauchverbot auseinandersetzen.

Schaden Zigaretten vielleicht doch nur dem Raucher selbst? Bild: ap

Der ehrenwerte Europaabgeordnete Godfrey Bloom lässt keine Gelegenheit aus, das Hohe Haus in Brüssel und Straßburg lächerlich zu machen. Da er für die britische Independence Party (UKIP) im Europaparlament sitzt, die die Loslösung Großbritanniens von der EU anstrebt, ist das aus seiner Sicht nur logisch. Manchmal allerdings schafft es das Hohe Haus auch ganz allein, sich lächerlich zu machen. Wenn es zum Beispiel eine Konferenz verbietet, die Rauchverbote aufs Korn nimmt.

Dann landet der Kneipier Ulrich Kasiske aus Berlin nicht im Europäischen Parlament, sondern im Kellersaal eines Hotels. Weil dort die Dolmetscher fehlen, versteht er kein Wort, wenn der Epidemologe Gio Gori den Mythos vom Passivrauchen auseinandernimmt. Und das ist bedauerlich, denn dieser Mythos kann Kasiske die Existenz kosten. Aber der Reihe nach.

Godfrey Bloom ist ein radikaler Individualist, der möglichst wenig Einmischung des Staates in das Leben seiner Bürger wünscht. Deshalb hatte der kleine Mann mit den abstehenden Ohren und dem leicht gelangweilten Upper-Class-Drawl gerne zugesagt, als ihn die Ticap (Internationale Koalition gegen Prohibition) als Gastgeber der Ersten Internationalen Prohibitionskonferenz gewinnen wollte. Zur Ticap gehören Gastwirte der Initiative für Genuss Berlin und Freigeister wie die niederländische Partij tegen Betutteling.

Unter dem Motto "Rauchverbote und Lügen" sollten Toxikologen, Psychophysiologen, Historiker und Sozialwissenschaftler zwei Tage lang über die negativen Folgen von Rauchverboten, die zweifelhaften wissenschaftlichen Grundlagen des behaupteten erhöhten Krebsrisikos durch Passivrauchen und die Interessenverflechtungen von Pharmakonzernen und Nichtraucheraktivisten referieren.

Doch die Parlamentsverwaltung erteilte den Tagungsteilnehmern in letzter Minute Hausverbot. Bereits im November hatte die UKIP die Veranstaltung bei der Verwaltung angemeldet. Am 18. Dezember hatte die Vorsitzende der Antirauchervereinigung Smoke Free Partnership den Parlamentspräsidenten in einem Brief aufgefordert, die Konferenz zu untersagen. Sie widerspreche erstens der Würde des Parlaments, stehe zweitens der in mehreren Parlamentsberichten zum Ausdruck gekommenen Antiraucherpolitik des Hauses entgegen und verletze den Geist der Internationalen Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle.

Sponsoren der Prohibition

Am 12. Januar beschloss das Parlamentspräsidium, die Konferenz zu verbieten. Offiziell geht es natürlich nicht um Zensur. Vielmehr sei das Event gesponsert worden und verstoße damit gegen das Reglement des EP. Ein Assistent von Bloom räumt ein, eine Suchtklinik für Raucher in den USA habe 1.000 Dollar gespendet. Doch Sponsoringangebote der Zigarettenindustrie, wie der Ticap häufig unterstellt wird, habe es nie gegeben. Der Brief von Smoke Free Partnership, deren Veranstaltungen pikanterweise von den Pharmakonzernen Novartis und Pfizer gesponsert werden, habe schon eine Rolle gespielt, sagt eine Sitzungsteilnehmerin.

Und so kam es, dass Ulrich Kasiske und sein Kollege Heinrich Kohlhuber vom Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur nur hilflos mit den Schultern zucken konnten, als der Vortrag von Robert Molinard, Professor an der Medizinischen Fakultät Paris-Süd, auf Englisch vorgelesen wurde. Er habe leider nicht persönlich erscheinen können, erklärte Molinard, weil er um seinen Ruf als Wissenschaftler fürchten müsse, wenn er in einer Konferenz der Gegner von Rauchverboten auftrete. Doch was wahr sei, müsse gesagt werden dürfen: Rauchen sei nur schädlich für die Raucher selbst. Ein erhöhtes Krebsrisiko durch sogenanntes Passivrauchen sei wissenschaftlich nicht belegt. Die entsprechenden Studien seien sämtlich von der Antiraucherlobby gesponsert. Und hinter der stecken, wie der Historiker Christopher Snowdon in einem Vortrag darlegte, diejenigen Pharmakonzerne, die mit Nikotinpflastern, der Entzugspille Champix oder Antidepressiva viel Geld verdienen. Denn Rauchverbote machen unglücklich, wie der auf der Konferenz verlesene Brief einer 55-jährigen Kellnerin aus Minnesota zeigt: "Ich musste schon meinen Job aufgeben. Und jetzt kann ich auch nicht länger ehrenamtlich im Rentnertreff arbeiten, weil auch dort inzwischen das Rauchen verboten wurde."

Wenn die auf der Tagung vertretenen Wissenschaftler recht haben und es tatsächlich keinen stichhaltigen Beleg für ein höheres Lungenkrebsrisiko durch Zigarettenrauch in der Umwelt gibt, dann werden die in vielen Ländern geltenden Rauchverbote gerichtlich keinen Bestand haben. Auch die EU müsste dann ihre geplante Richtlinie in der Schublade lassen.

Denn deren Grundlage ist der Gesundheitsschutz der Passivraucher in öffentlichen Räumen und am Arbeitsplatz. Die Entscheidung des Rauchers, sich selbst einem erhöhten Risiko auszusetzen, ist durch die Grundrechte geschützt. Noch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.