Der Super Bowl kommt: Pittsburgh und sein Alter Fritz

Wer alles verteidigen will, verliert, sagt Dick LeBeau und zitiert damit einen Strategen aus Preußen. Pittburghs Defensiv-Trainer gilt mit seinem Team als Super-Bowl-Favorit.

Ben Roethlisberger: Quarterback der Pittsburgh Steelers. Bild: dpa

"Ich hasse Dick LeBeau", das hat kürzlich Kurt Warner gesagt, der Quarterback der Arizona Cardinals. Nicht dass er Angst haben müsste, am kommenden Sonntag von ihm persönlich getackelt zu werden - LeBeau ist 71 Jahre alt. Doch er ist das, was man in den USA gerne ein Mastermind nennt, ein Football-Philosoph und Abwehrtaktiker. Und weil er unbestritten der Beste seines Fachs ist, respektieren ihn die gegnerischen Angreifer fast genauso wie seine eigenen Abwehrspieler. "Ich nehme das als Kompliment", antwortet LeBeau auf die Aussage Kurt Warners.

Wenn alles so läuft, wie es die Experten erwarten, dann wird Warners Hass am Montag noch größer sein. Dick LeBeau ist der "defensive coordinator" der Pittsburgh Steelers, und die Super Bowl Nummer 43 (Kick-off Montag, 0.28 Uhr, ARD) wird zu einem Großteil in seinem Kopf entschieden. Die Arizona Cardinals hat niemand im Finale erwartet, wie auch. Das Team hatte das letzte Mal um eine nationale Meisterschaft gespielt, als Harry Truman Präsident der USA war, im Jahr 1947. Und die vergangene Saison verlief über weite Strecken so mäßig wie immer. Sieben Niederlagen mussten die Cardinals in Kauf nehmen, drei davon waren peinlich hoch. Doch in den Play-offs zeigte die Mannschaft auf beiden Seiten des Balls neue Qualitäten. Dass sie trotzdem als Außenseiter gilt, liegt vor allem an LeBeau und seiner Arbeit mit der Abwehr der Steelers. Diese spielte über die gesamte Saison souverän und ließ sowohl im Lauf- als auch im Passspiel des Gegners den geringsten Raumgewinn zu. Zusätzlich zeigte Quarterback Ben Roethlisberger im Angriff eine bessere Leistung als im Jahr zuvor. Und sein Lieblings-Passempfänger Hines Ward scheint nach einer Zerrung im Knie vor zwei Wochen gerade noch rechtzeitig fit zu werden.

Unter den Cardinals gibt es allerdings viele, die von Dick LeBeau gelernt haben. Ihr Headcoach Ken Whisenhunt war bis vor drei Jahren sein Offensiv-Kollege in Pittsburgh, gemeinsam gewannen sie Super Bowl 40. Und als Whisenhunt - damals etwas überraschend - in die Wüste von Arizona zog, da nahm er mehrere Co-Trainer und Spieler mit. Deshalb wird bezüglich Super Bowl 43 auch gerne von der Partie Pittsburgh gegen Pittsburgh West gesprochen.

Dick LeBeau gibt zu: "Ken wird in diesem Spiel vieles tun, was ich von ihm kenne, aber er wird auch vieles tun, was ich noch nicht kenne." Doch das beunruhigt ihn nicht, dafür hat er schon zu viel erlebt. Auch auf die Frage, wie man denn um Himmels willen Larry Fitzgerald stoppen könne, jenen Passempfänger der Cardinals, der in den vergangenen drei Play-off-Spielen acht Touchdowns erzielte, antwortet LeBeau philosophisch-gelassen: "Ein weiser Mann hat einmal gesagt: Wer alles verteidigen will, verteidigt nichts." Wer genau das gesagt hat, weiß LeBeau nicht. Es war Friedrich der Große.

Der Co-Trainer, der seit 50 Jahren im Profifootball beschäftigt ist, hat auch schon neue Taktiken kreiert, die mittlerweile zum festen Repertoire vieler Teams gehören. Doch gleichzeitig sagt er, dass sich eigentlich nicht viel geändert hat in diesem Sport: "Klar, die Spieler sind athletischer geworden. Aber die Grundlagen lassen sich nicht ändern. Und der Beweis dafür ist, dass ich immer noch Trainer bin." In den vergangenen Wochen gab es Gerüchte, dass LeBeau nach der Super Bowl in Rente gehen würde, doch er selbst verneint das. Er habe immer noch zu viel Spaß an diesem Sport, und natürlich sagt er, dass er seine Spieler liebe. Im letzten Spiel der Cardinals gegen die Philadelphia Eagles gab es eine Szene am Spielfeldrand, die für reichlich Diskussionsstoff sorgte. Als der "offensive coordinator" Todd Haley seinen Passempfänger Anquan Boldin für mehrere Spielzüge nicht auf das Feld schickte, brüllte dieser seinen Coach vor versammelter Mannschaft an. "So was passiert in der NFL doch jede Woche", sagte Boldin später, und vermutlich hat er sogar recht. In Pittsburgh aber würde das nicht passieren.

Zumindest Dick LeBeau hat keine Spieler, die ihn anbrüllen. Sie gehorchen ihm, und zwar freiwillig. Das Urvertrauen, das die Trainer in Pittsburgh genießen, ist der wahre Grund, warum die Steelers als Favorit in das letzte Spiel der Saison gehen. Und sollten die Cardinals doch gewinnen, dann wohl auch nur deshalb, weil sie viel gelernt haben.

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