US-Politik in Afghanistan: Strategie ohne Gänsehaut

Welcher Weg ist richtig? US-Denkfabriken diskutieren die Strategie Obamas in Afghanistan. Denn auch nach acht Jahren ist noch kein Erfolg gegen die Taliban in Sicht.

Anhaltender Bombenterror: Hier gegen die deutsche Botschaft in Kabul. Bild: dpa

Bereits im im achten Jahr kämpfen US- und Nato-Soldaten in Afghanistan - bislang ohne Aussichten auf Erfolg. Im US-Kongress und bei Experten der Denkfabriken wird der Ruf immer lauter, dass der Einsatz - meist nur "der andere Krieg" genannt - stärker in den Fokus der politischen Debatte rücken müsse.

Allen voran sagte Barack Obama schon während seines Wahlkampfes, dass der Krieg in Afghanistan, anders als der im Irak, der "richtige Krieg" sei. Er werde möglicherweise zwei bis drei Kampfbrigaden mehr in den Hindukusch schicken, um die US-Truppen auf rund 65.000 Mann aufzustocken. Und: Er werde al-Qaida überall jagen, und sei es auch eine Hausnummer weiter, nämlich in Pakistan. Islamabad drohte er sogar an, er werde zuschlagen, sollte sich Ussama Bin Laden im pakistanischen Grenzgebiet aufhalten und das pakistanische Militär unwillig sein zu handeln.

An säbelrasselnder Rhetorik ließ es der Demokrat vor seiner Wahl zum Präsidenten nicht fehlen. Das waren Töne, die nicht allzu vertrauenseinflößend klangen und Kennern der Region eher Gänsehaut bereiteten. Seit seinem Amtsbeginn hat Obama jedoch in Sachen Afghanistan verbal Zurückhaltung geübt. Was genau seine "Afghanistan-Strategie" sein wird, bleibt allerdings weiter im Bereich der Spekulation.

Genau das trat eine Lawine von Positionspapieren, Regierungsreports und Denkfabrik-Studien los. Interviews mit seinem Team von Afghanistan-Experten, darunter der ehemalige CIA-Südasienspezialist und Terror-Experte Bruce Riedel, lassen vermuten, der Präsident sei zumindest davor gewarnt worden, allein auf die militärische Karte zu setzen. Seit Monaten ist aus dem Team Obamas zu hören, ein wichtiger Aspekt in den verstärkten Bemühungen um Afghanistan seien Verhandlungen mit den Taliban und eine strikte Bekämpfung des Opium-Anbaus.

Kritiker halten der US-Regierung entgegen, die Formel "Aufstocken und verhandeln" täusche darüber hinweg, dass Afghanistan nicht Irak sei. Sie kritisieren weiter, mehr Truppen am Hindukusch und Daumenschrauben für die pakistanische Regierung würden die Krise verschlimmern, statt sie zu lösen. Eine Eskalation des Krieges, ohne die afghanische und die pakistanische Bevölkerung gegen sich aufzubringen, halten Experten für einen frommen Wunsch. Schon jetzt dokumentieren Meinungsumfragen in der islamischen Republik, die USA gälten als größtes Übel für die Region.

Analysten, darunter Greg Bruno von der Denkfabrik "Council on Foreign Relations", sind der Ansicht, Obama müsse zunächst die Mission in Afghanistan neu definieren. Denn Washingtons ursprüngliches Ziel, ein stabiles, freies und demokratisches Afghanistan zu erschaffen, sei unhaltbar. Man müsse kleinere Brötchen backen, heißt es. Entscheidend sei, dass überhaupt Brötchen gebacken würden, lautet die einhellige Meinung der US-Generäle. General David Petraeus sagte, militärische Siege ergäben nur Sinn, wenn sie unmittelbar in Infrastruktur und funktionierende Regierungen übersetzt werden könnten.

Lob hat der neue US-Präsident immerhin für seine Ernennung Richard Holbrookes als Sondergesandten für Afghanistan und Pakistan erhalten. Hierbei folgte Obama der Empfehlung seines Sicherheitsberaters General James Jones. Holbrooke erwarte allerdings eine "ziemlich düstere und hoffnungslose Lage in der Region", meinte der Terrorexperte Bruce Riedel kürzlich.

Kritiker halten es aber für falsch, dass Richard Holbrooke nicht auch für Indien verantwortlich ist. Denn ohne Indien, so Daniel Markey vom Council on Foreign Relations, sei die Krise nicht zu lösen. Denn Pakistan beschuldige Indien, aus Afghanistan einen Vasallenstaat zu machen. Und: Nicht zuletzt seien Indien und Pakistan durch ihren Konflikt in Kaschmir ein Teil der gesamten Instabilität der Region. Erst wenn diese beiden Länder eine Übereinkunft gefunden hätten, wäre die pakistanische Zivilregierung unter Präsident Asif Ali Zardari gestärkt. In der Folge könnte der Schmusekurs des pakistanischen Militärs mit al-Qaida beendet werden. Markey meint, ohne die Kooperation der pakistanischen Militärs und Geheimdienste sei den Taliban und al-Qaida nicht beizukommen.

Was dem US-Präsidenten nun fehle, sei Zeit, heißt es. Mit jedem Meter Landgewinn würden die Taliban selbstsicherer und das afghanische Volk hoffnungsloser. Holbrookes dringlichste Aufgabe müsse daher sein, so Riedel, den Eindruck zu vermeiden, die US-Truppen seien dabei, den "anderen Krieg" zu verlieren.

Dass mehr Druck auf die von Korruption und Misserfolgen geplagte Zentralregierung unter Präsident Hamid Karsai notwendig ist, diese Ansicht vertritt unmissverständlich Obamas Vizepräsident, Joe Biden. Er will heute nach München zur Sicherheitskonferenz reisen, um unter den Nato-Partnern für breitere Unterstützung der Initiative der Vereinigten Staaten zu werben. Wenig vorteilhaft ist aber die Tatsache, dass er in München noch mitteilen kann, wie diese Strategie aussehen soll.

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