Baden-Württembergische Hauptschulen: Maulkorb für Schulrebellen

In Baden-Württemberg fordern hunderte Lehrer und Schulleiter das Ende der Hauptschulen. Die Landesregierung will die Abweichler nun einschüchtern und so mundtot machen, sagt die Opposition.

Wird sie irgendwann abgeschafft? Hauptschule in Stuttgart. Bild: dpa

Bernd Dieng bleibt sachlich, und dazu gehört auch, Geschehenes wiederzugeben. Dieng bildet im baden-württembergischen Meckenbeuren Lehrer aus, und als er Anfang Februar an einer Diskussion zum Thema "Schule neu denken - bessere Bildung für alle" teilnimmt, wird er zuvor selbst belehrt. Der Leiter seines Seminars erklärt ihm vor Beginn am Telefon, Dieng solle "sachlich bleiben".

Eigentlich wird Dieng damit lediglich ans Beamtenrecht erinnert. Allerdings ist er einer der Lehrer, die vor zwei Jahren einen offenen Brief an den baden-württembergischen Kultusminister Helmut Rau (CDU) verfasst haben. Darin warfen sie dem Minister vor, altbekannte Arbeitsmethoden als neue Reform der Hauptschulen zu verkaufen, und forderten eine Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem. "Man kann den Anruf durchaus als Einschüchterungsversuch sehen, muss es aber nicht", sagt Dieng.

Mittlerweile unterstützen über 500 Schulleiter die Forderungen. Dieng selbst scheint dabei nicht der Einzige zu sein, der von Vorgesetzten in welcher Form auch immer ermahnt wird. Dem im Februar gegründeten Verein "Länger gemeinsam lernen" lägen mittlerweile mehrere Fälle vor, in denen Schulämter Schulleiter aufgefordert hätten, sich nicht mehr öffentlich gegen das dreigliedrige Schulsystem zu äußern. Dieng ist zweiter Vorsitzender des Vereins und betont, auf Podien stets in dieser Rolle zu sprechen, nicht als Beamter. Die SPD im Landtag will die Vorfälle nun auf Betreiben des Vorsitzenden des Schulausschusses im Landtag, Norbert Zeller, per Untersuchungsausschuss prüfen lassen. Die betroffenen Schulleiter wollen sich nicht öffentlich äußern. Zeller fürchtet, die Landesregierung will die kritischen Lehrer mundtot machen.

Eine Kampagne der Landesregierung, um unliebsame Meinungen zu unterbinden? Gar ein Spitzelskandal? Bei der Podiumsdiskussion Anfang Februar seien ungewöhnlich viele Beamte des Regierungspräsidiums zugegen gewesen und hätten sich Notizen gemacht, sagt Dieng. Das könnte natürlich auch rein fachliches Interesse gewesen sein. Der Pädagoge selbst will sich nicht an Spitzel-Spekulationen beteiligen, wie sie nun zwischen SPD und CDU im Land ausgetragen werden.

Eine Sprecherin der Kultusministeriums sagt, es gebe keine Weisung, kritische Lehrer zur Rede zu Stellen. "Natürlich können sie öffentlich eine Meinung vertreten", sagt sie. Das gelte auch, wenn man seinem Dienstherren widerspreche, nur persönlich dürfe man eben nicht werden. Bereits zuvor hatte es Gespräche zwischen den kritischen Lehrern und dem Kultusministerium gegeben. Auch der Anruf bei Dieng sei auf Weisung des Ministeriums erfolgt. "Das ist doch absolut legitim, wenn eine Dienstherr mit seinen Beamten spricht", sagt sie.

Das Anliegen der Lehrer geht nun in politischen Wortgefechten unter. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus witzelt, bei den maskierten Narren zur Faschingszeit habe es sich nicht um Spitzel des Kultusministeriums gehandelt. Dieng ist sich indes sicher, stets sachlich geblieben zu sein. Zudem habe man jahrelang auf dem internen Dienstweg versucht, Gehör zu finden und erst dann den Weg in die Öffentlichkeit gewählt. Doch in Baden-Württemberg würde man in der Bildungsdiskussion reflexartig seine Meinung verteidigen, statt offen über das Schulsystem zu sprechen. "Wenn eine neue Studie kommt, dann wird sie so hingedreht, dass sie in das bestehende hierarchische Schulsystem hineinpasst", sagt er. Er weist darauf hin, dass Deutschland eines der letzten OECD-Länder ist, das noch am dreigliedrigen Schulsystem festhält.

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