Kommentar Althaus: Wer ohne Sünde ist

Die Kritik am Urteil gegen Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus ist falsch. Offen ist nur, ob sein Gesundheitszustand eine Rückkehr ins Amt erlaubt.

Das Urteil gegen Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus ist geeignet, Ressentiments zu schüren. Der Richterspruch fiel ungewöhnlich schnell, er ist milde, es gab keine öffentliche Verhandlung. All das scheint ein schlagender Beweis dafür zu sein, dass Prominente vor Gericht auf eine Vorzugsbehandlung hoffen dürfen. Angesichts des nun aktenkundigen Fehlverhaltens von Althaus gibt es aber dennoch gar keine Alternative mehr zum Rückzug aus dem Amt - oder?

Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Noch nie zu schnell gefahren - und hinterher zitternd und dankbar hinter dem Lenkrad gesessen, weil das übersehene Kind auf dem Fahrrad gerade noch hatte bremsen können? Noch nie gedankenlos beinahe einen Brand verursacht? Noch nie beim Sport andere Leute gefährdet? Glückwunsch.

Fest steht: Dieter Althaus hat fahrlässig den Tod eines Menschen herbeigeführt. Das ist eine Schuld, an der er lebenslang zu tragen haben wird. Wer das nicht glaubt, muss Althaus persönlich oder vielleicht sogar allen, die sich je verantwortungslos verhalten haben, eine zynische, amoralische Grundhaltung unterstellen. Das wäre bemerkenswert selbstgerecht.

Die Forderung, an einen Ministerpräsidenten müssten besonders strenge Maßstäbe angelegt werden, überhöht dieses Amt im Geiste des Obrigkeitsstaates. Als ob eine Ärztin, ein Statiker, eine Elektrikerin nicht auch große Verantwortung trügen. Berufsverbot für alle, die einmal leichtsinnig und rücksichtslos waren? Absurd. Anders sähe es freilich aus, wenn Althaus auf der Piste betrunken gewesen wäre, so wie der CSU-Politiker Otto Wiesheu 1983 bei seinem schweren Verkehrsunfall. Dann wäre aber auch das Urteil anders ausgefallen.

Der Voyeurismus, der den Skiunfall des Ministerpräsidenten begleitete, lässt es übrigens als durchaus nachvollziehbar erscheinen, dass die Justiz ein Interesse an einem möglichst unauffälligen Abschluss des Falles hatte. Es ging ja nicht um Wahrheitsfindung - der Sachverhalt ist geklärt. Die einzig noch offene Frage ist die, ob der Gesundheitszustand von Dieter Althaus eine Rückkehr ins Amt erlaubt. Das jedoch können weder Richter noch Öffentlichkeit beurteilen.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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