Kommentar Siemens Atomgeschäfte: Krisensicher abwracken

Bei der Kooperation mit Rosatom setzt Siemens vor allem auf das Geschäft bei der Urangewinnung und dem Stilllegen und Abwracken von alten Atomkraftwerken.

Siemens begründet seine Kooperation mit Rosatom damit, dass bis zum Jahr 2030 weltweit 400 neue Atomreaktoren gebaut würden. Nun können Siemens-Aktionäre nur hoffen, dass der Konzern selbst die Zahlen nicht allzu ernst nimmt.

Würde Siemens seine Investitions- und Personalplanung an solchen Phantastereien orientieren, dürfte das schnell in ein ökonomisches Fiasko führen - die Firmensparte wäre wegen Überkapazitäten alsbald bankrott. Denn die Zahlen sind völlig unrealistisch. 400 neue Meiler bis 2030, das würde bedeuten, dass ab sofort alle 20 Tage ein neues Atomkraftwerk gebaut werden müsste. Folglich hätten seit Jahresbeginn schon drei neue Reaktoren ans Netz gehen müssen - doch die Statistik weist null aus. Im gesamten Jahr 2008 ist weltweit kein einziger Neubau fertiggestellt worden.

Die Gründe, die Siemens dazu bewegt haben, mit der russischen Atomwirtschaft gemeinsame Sache zu machen, dürften kaum in einer vermeintlichen Atomkraftrenaissance liegen, wie sie von der Lobby der Nuklearenergie immer beschworen wird. Vielmehr ist es der ökonomische Reiz, den die anderen Sparten des russischen Konzerns bieten.

Rosatom nämlich verdient sein Geld nicht allein mit dem Bau von Atommeilern. Das Unternehmen macht auch Geschäfte mit der Urangewinnung und der Ertüchtigung von Altanlagen. Bei derzeit 436 Reaktoren weltweit ist allein das schon lukrativ genug. Vor allem aber macht Rosatom auch Geschäfte mit der Stilllegung und dem Rückbau von Atomkraftwerken.

Und da man nach realistischen Schätzungen davon ausgehen muss, dass auch in den kommenden Jahren mehr Atomkraftwerke stillgelegt als neu ans Netz gebracht werden, ist das Abwracken der Meiler ein krisensicheres Metier. So sind schon heute weltweit acht Meiler weniger in Betrieb als im Spitzenjahr 2002.

Und da die Reaktoren rund um den Erdball in die Jahre kommen, darf man davon ausgehen, dass Siemens bei dem Joint Venture zu einem guten Teil das Abwracken alter Meiler im Blick hat, und das aller Atomkraftrenaissance-Rhetorik zum Trotz.

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