Kampf um Lohngleichheit in Belgien: Frauen verhandeln oft schlechter

In Belgien gibt es eine Lohnlücke von 9,1 Prozent zwischen Frauen und Männern. Jetzt will eine Versicherungsangestellte einen Musterprozess gegen ihren Arbeitgeber führen.

Die Fortis-Versicherung soll auf Lohnausgleich verklagt werden. Bild: dpa

BRÜSSEL taz Glaubt man der EU-Kommission und dem Europäischen Statistikamt, hat Belgien die Forderung "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" schon ziemlich gut in die Tat umgesetzt. Zwar weist die neueste Gegenüberstellung immer noch eine Lohnlücke von 9,1 Prozent auf, während Italien mit 4,4 Prozent besser dasteht. Doch Mütter sind in Italien deutlich seltener berufstätig als in Belgien. Gut ausgebildete Singlefrauen mit überdurchschnittlichen Gehältern sorgen dafür, dass die statistische Lohnlücke klein bleibt.

Doch auch in Belgien müsse man die Realität hinter den Zahlen genauer betrachten, verlangt Gitta Vanpeborgh, die Gleichstellungsbeauftragte des belgischen Gewerkschaftsbunds. Seit Jahren streite man mit Eurostat über die Datenbasis und über die richtige Gewichtung der Zahlen. Ein Beispiel: In Belgien sind überdurchschnittlich viele Frauen im Erziehungswesen tätig. Die im Arbeitsvertrag festgelegten Arbeitsstunden pro Woche stehen nur auf dem Papier. Die meisten Lehrerinnen und Erzieherinnen machen unbezahlte Überstunden. Die Folge: Ihr Stundenlohn ist nicht so hoch, wie die Statistiker von Eurostat annehmen.

Es gibt in Belgien ein Gesetz, das Unternehmen zu einer geschlechtsneutralen Lohnstruktur verpflichtet. Doch die Praxis zeigt, dass Frauen oft schlechter verhandeln als Männer und in der gleichen Funktion weniger Zusatzleistungen bekommen. Da die Betriebe keine vergleichende Lohnstatistik vorlegen oder einen jährlichen Gleichstellungsbericht verfassen müssen, wird dieses Problem den Beteiligten meist nicht bewusst. Eine Angestellte der Fortis-Versicherung, die mit Hilfe der Gewerkschaft einen Musterprozess führen will, erzählte der taz: "Ich stand zufällig neben dem Kopierer und sah den Lohnauszug meines Kollegen. Ich war geschockt, wie viel mehr er verdient."

Die Gewerkschaft verhandelt mit einigen großen Unternehmen wie Fortis oder Textilherstellern darüber, dass sie freiwillig einen jährlichen Lohnentwicklungsbericht vorlegen sollen. "Die Gespräche waren auf einem guten Weg. Doch die Wirtschaftskrise hat erst mal alles gestoppt", klagt Vanpeborgh. Der Gesetzgeber müsse dafür sorgen, dass Inspektoren Einsicht in die Lohnlisten bekommen und dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich freiwillig zu Lohntransparenz verpflichten.

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