Kommentar Kölner Stadtarchiv: Ein braver Mann

Bei Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma sind immer die anderen Schuld. Und wenns kritisch wird, will er nicht beteiligt gewesen sein und von nichts gewusst haben.

Der Einsturz des Historischen Stadtarchivs hätte die große Stunde von Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma werden können. Denn die Katastrophe bot ihm die Chance, als Krisenmanager die Herzen der Kölnerinnen und Kölner zu erobern, so wie dies einst "Deichgraf" Matthias Platzeck bei der Bewältigung des Oderhochwassers gelang.

Doch Schramma hat die Chance nicht genutzt. Von Tag zu Tag wird deutlicher, wie überfordert der Christdemokrat ist. Über den gelernten Lateinlehrer urteilte einmal der inzwischen verstorbene Soziologieprofessor Erwin K. Scheuch, er sei "ein braver Mann". Leider ist er nicht viel mehr: ein kleiner biederer Provinzpolitiker an der Spitze einer Millionenstadt. Doch kölscher Dialekt und Volkstümlichkeit reichen bei einer Katastrophe nicht mehr. Eine erneute Demonstration seines geradezu grotesken Agierens bot die Hauptausschusssitzung des Kölner Rates am Donnerstagabend. Da räumte der 51-Jährige zwar ein, dass die Übertragung von Kontrollen an Privatfirmen beim U-Bahn-Bau "kein sonderlich glücklicher Zustand" sei. Aber einen Fehler der Stadt konnte er darin nicht erkennen. Denn schließlich sei ein solches Verfahren ja erstens "im ganzen Land üblich" und zweitens gesetzeskonform. Er setze sich jetzt jedoch für eine Änderung der Baugesetze ein.

Schuld sind bei Schramma immer die anderen. Und wenns kritisch wird, will er nicht beteiligt gewesen sein und von nichts gewusst haben. Zu Recht kritisieren die Grünen, er trete bisweilen wie der Vorsitzende einer Bürgerinitiative auf. Bestes Beispiel dafür lieferten seine starken wie folgenlosen Worte unmittelbar nach dem Unglück, mit denen er den Weiterbau der Kölner U-Bahn für "fast unverantwortlich" erklärte - ganz so, als habe er mit diesem überhaupt nichts zu tun.

Dabei war Schramma an allen Entscheidungen für den Bau der Nord-Süd-Stadtbahn zunächst als Stadtverordneter, dann als Oberbürgermeister beteiligt. Beharrlich trieb er das umstrittene Prestigeprojekt voran, das mittlerweile rund eine Milliarde Euro verschlungen hat. Alarmsignale gab es genug.

Fast neun Jahre amtiert Schramma nun schon. Es ist höchste Zeit für einen Neuanfang an der Kölner Stadtspitze.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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