Großdemo gegen Fristenlösung: Die Offensive der Spanischen Kirche

Die katholische Kirche in Spanien kämpft gegen eine Reform des Abtreibungsrechts, warnt vorm "Gesetz des Stärkeren". Die Regierung will eine Fristenlösung durchsetzen.

Ungewöhnlich: Bunter Protest im Namen der Kirche in Madrid. Bild: reuters

MADRID taz "Es lebe das Leben, es lebe die Liebe, es lebe die Mutter, die uns gebar", schrien hunderte von Mädchen um die 16 Jahre unermüdlich. Mit roten Fähnchen mit der Aufschrift "Recht auf Leben" führten ganze Schulklassen katholischer Mädchenschulen am Sonntag die Demonstration durch Madrids Innenstadt an.

Knapp 100.000 Menschen zogen vor das spanische Parlament. Sie wollen eine Reform des spanischen Abtreibungsrechts verhindern. Die Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero bereitet eine Fristenregelung vor. In den ersten 14 Wochen soll die Abtreibung dann legal sein.

In Spanien ist ein Abbruch bisher nur nach einer Vergewaltigung (in den ersten 12 Wochen), bei Verdacht auf Missbildung des Embryos (22 Wochen) oder bei Gefahr für die körperliche und seelische Gesundheit der werdenden Mutter (ohne Begrenzung) zulässig. Im vergangenen Jahr wurden in Spanien 112.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt.

Bisher geben die meisten Frauen als Begründung Gefahren für ihre psychische Gesundheit an. Denn eine soziale Indikation wie in anderen europäischen Ländern gibt es in Spanien nicht. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Privatkliniken geschlossen und Ärzte sowie Patientinnen vor Gericht gestellt, weil sie angeblich illegal abgetrieben haben sollen. Die Regierung Zapatero möchte endlich Rechtssicherheit schaffen.

Die Demonstration war der bisherige Höhepunkt einer Kampagne der katholischen Kirche Spaniens gegen diese Pläne. Doch anders als in den 80er-Jahren, als das bis heute gültige Gesetz zur Debatte stand, haben die Kirchenfürsten und auch die konservative Volkspartei (PP) hinzugelernt. Bunt und fröhlich kam die Demonstration daher.

Vorbei sind die Zeiten, als dunkel gekleidete Ewiggestrige und Soutanen das Bild der Kampagnen gegen die Abtreibung bestimmten. Bischöfe gab es keine auf der Demonstration. Nur wenige bekannte konservative Politiker marschierten mit.

Nur im Vorfeld war die Bischofskonferenz aktiv geworden. Sie mietete 1.300 Plakatwände in 37 spanischen Städten an. 8 Millionen Flugblätter wurden gedruckt. Darauf zu sehen ist ein Luchs mit dem Stempel "Geschützt", daneben ein Kleinkind mit der Frage "Und wer schützt mich?". Kirchenkreise sammelten Unterschriften von Künstlern und Wissenschaftlern unter die "Erklärung von Madrid", die die Fristenregelung als "Gesetz des Stärkeren" kritisiert.

Wie bereits bei den Großdemonstrationen gegen das vor fünf Jahren verabschiedete Gesetz, das gleichgeschlechtliche Ehen ermöglicht, lässt die Kirche auch dieses Mal wieder ihr weit verzweigtes soziales Umfeld für sich arbeiten. Organisationen zur Verteidigung der traditionellen Familie, katholische Schulen und fundamentalistische Gemeinden aller Art bilden den Kern der Mobilisierung.

Ganze Familien sind gekommen. "Abtreibung ist feiger Mord", steht auf dem Transparent, das Gonzalo (54) und Carol (58) mit sich führen. Sie haben sechs ihrer zehn Kinder dabei. Der Älteste ist 32, die jüngste 13. "Die Frau kann über ihr Leben entscheiden, über das eines ungeborenen Kindes nicht", beklagen die beiden.

Selbst im Falle einer Vergewaltigung gelte dies. "Das da drin ist unabhängig von dem, was draußen geschieht", begründet Gonzalo seine Meinung. Carol stimmt ihm zu. "Wer das nicht verstehen kann, dem fehlt es an der christlichen Grundlage seines Lebens", erklären Gonzalo und Carol.

Umfragen zeigen, dass 64 Prozent der Spanierinnen anders denken. In der Osterwoche soll die Kampagne weitergehen. Ein weißes Band, ähnlich dem roten der Anti-Aids-Kampagne, soll dann die Prozessionen in der Karwoche dominieren.

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