Wahl in El Salvador: "Werden keinen Sozialismus ausrufen"

Héctor Silva, Berater des Präsidenten El Salvadors, ist optimistisch, dass die FMLN-Regierung die Demokratie stärken und die Armut vermindern kann.

Sieg in Rot: Feiern nach Wahl in El Salvador. Bild: reuters

taz: Herr Silva, die FMLN war als Guerilla ungeschlagen. Aber seit den Friedensverträgen von 1992 hat sie vier aufeinanderfolgende Präsidentschaftswahlen verloren. Warum hat es diesmal geklappt?

Héctor Silva: (Die ultrarechte) Arena hat vier Perioden lang regiert und sich stark abgenützt. Zweitens die Wirtschaftskrise: Die Leute sind unzufrieden. Aber der wichtigste Faktor war der Kandidat Mauricio Funes, den alle vom Fernsehen kennen. Als Journalist hat er immer seine Analysefähigkeit unter Beweis gestellt. Er hat das Wählerpotenzial über die Linke hinaus erschlossen und konnte überzeugen, dass er an der Regierung keine Dummheiten anstellen wird.

Inwieweit haben die ehemaligen FMLN-Sympathisanten den Ausschlag gegeben, die als "Verräter" verstoßen wurden oder sich enttäuscht abgewandt haben?

Am 15. März wurde im zentralamerikanischen El Salvador mit Mauricio Funes erstmals ein Kandidat der ehemaligen Guerillafront FMLN zum Präsidenten gewählt. Der 60-jährige Gynäkologe Héctor Silva gehörte während des Bürgerkriegs der 1980er-Jahre zur zivilen Opposition und musste mehrere Jahre im Exil verbringen. 1997 verschaffte er der FMLN den ersten bedeutenden Wahlerfolg, als er zum Bürgermeister der Hauptstadt San Salvador gewählt wurde. Heute gehört er einem 13-köpfigen Beraterteam des designierten Präsidenten an und zählt zum engsten Kreis der Kandidaten für das künftige Kabinett, das am 1. Juni vereidigt werden soll.

Ich glaube, die waren entscheidend. Laut den Analysen gehören sie zu den 400.000 Unentschlossenen, die ihre Wahlentscheidung erst sehr spät getroffen haben. Das ist mehr als der Unterschied zwischen den beiden Kandidaten.

Vor zehn Jahren waren Sie als Kandidat der FMLN im Gespräch. Die Entscheidung fiel aber dann gegen Sie, weil Sie als Sozialdemokrat etikettiert wurden.

Ich denke, das bin ich auch, obwohl mir das damals nicht so bewusst war. Aber heute ist das kein Schimpfwort mehr. In der FMLN gibt es immer noch einige Leute mit dem traditionellen marxistischen Denken. Aber die Entscheidungen, die getroffen werden, sind viel eher sozialdemokratisch.

Woran kann man in fünf Jahren den Erfolg dieser Präsidentschaft messen? Ist es die Konsolidierung der Demokratie, wie der künftige Vizepräsident Salvador Sánchez meint?

Im Gesundheitsbereich: Die Versorgung mit Medikamenten kann durch effizientere Verwaltung schnell verbessert werden. Im Bereich der Straflosigkeit. Da gibt es schon jetzt sichtbare Erfolge: Vor zehn Jahren wurde ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet. Hauptverdächtiger war ihr Vater, der Chef des Präsidentengeneralstabs. Er wurde damals freigesprochen. Jetzt, kurz nach der Wahl, ist der Fall wieder aufgerollt worden. Die Richter fürchten sich nicht mehr. Militärs sind nicht länger unberührbar. Ein anderes Thema ist die öffentliche Sicherheit und der Drogenhandel. Die Politik der harten Hand hat da nichts bewirkt. Wenn es uns gelingt, die Jugendlichen zu erreichen und zu beschäftigen, kann man da mehr erreichen als allein mit Repression.

Klingt nicht nach einem linken Programm. Was ist mit der sozialen Ungerechtigkeit, einer Hauptursache des bewaffneten Konflikts?

Wir werden nicht den Sozialismus ausrufen und alles vergesellschaften. Das ist wohl unrealistisch. Wenn die Menschen mehr Zugang zu Konsumgütern haben und sehen, dass der Staat nicht mehr als Eigentum der Regierenden betrachtet wird, haben wir viel erreicht.

Die Oligarchie, die ja die Wirtschaft kontrolliert, ist eng mit Arena verstrickt. Wird sie die FMLN regieren lassen?

Die Oligarchie ist nicht mehr so mächtig wie früher. Sie hat die meisten Banken und Unternehmen an transnationale Konzerne verkauft.

Funes hat noch in der Wahlnacht angekündigt, dass er gute Beziehungen zu Washington suchen wird. Inwieweit hängt sein Erfolg von Washington ab?

US-Vizepräsident Joseph Biden hat kürzlich bei einem Besuch in Costa Rica gesagt, dass das Wohlergehen Zentralamerikas vom wirtschaftlichen Erfolg der USA abhängt. Wir dürfen nicht vergessen, dass El Salvador jährlich vier Milliarden Dollar an Geldsendungen der Migranten einnimmt. Das ist bei weitem die größte Devisenquelle des Landes. Was wir positiv sehen, ist, dass Obama Mauricio Funes wenige Tage nach der Wahl angerufen hat. Ich denke, dass es mehr Verständnis für Lateinamerika geben wird als unter Bush.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.