Name von früherem Stasi-IM: Gericht erlaubt Outing von Ex-Spitzel

Herbert Gräser unterwanderte für die Stasi die DDR-Bürgerrechtsbewegung. Nun klagte er gegen die Nennung seines Namens - zu Unrecht, entschied ein Gericht.

Düsteres Kapitel der DDR: die frühere Stasi-Haftanstalt in Erfurt. Bild: dpa

Es ging um nicht mehr als ein kleines, verschwommenes Foto auf einer Website. Doch die Entscheidung, die das Münchner Landgericht am Mittwoch verkündete, geht weit. Ein früherer Stasispitzel hat nach Ansicht der Richter kein Recht auf Anonymität. Nicht immer haben sich die Gerichte in jüngster Zeit so klar für die öffentliche Aufarbeitung des DDR-Überwachungsstaats ausgesprochen.

Einen "Meilenstein gegen das Vergessen und für die wissenschaftliche Aufarbeitung" nennt Prozessgewinner Joachim Heinrich das Urteil. Er war von einem ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit wegen seiner Website verklagt worden.

Heinrich war zu DDR-Zeiten Mitglied der Erfurter Umweltgruppe. Die Stasi ging gegen die harmlose Umweltschutzinitiative vor. Mehrere tausend Seiten Akten wurden angelegt, Agenten versuchten die Gruppe zu zersetzen. Unter der Adresse //%77%77%77%2e%73%74%61%73%69%2d%69%6e%2d%65%72%66%75%72%74%2e%64%65:www.stasi-in-erfurt.de dokumentiert der Epidemiologe Heinrich die Vorgänge von damals. Es gibt lange Texte, seitenweise Stasiakten und etwas versteckt ein kleines Foto. Daneben steht die Bildbeschreibung: "1989: Herbert Gräser alias Leo alias IM Schubert (hinten links)". Das Bild zeigt die Besetzung der Erfurter Stasi-Zentrale durch Bürgerrechtler am 4.Dezember 1989. Es war ein schon oft abgedrucktes Foto eines historischen Augenblicks. Doch im vergangenen Jahr klagte "IM Schubert", der sich unter die Bürgerrechtler gemischt hatte, gegen die Veröffentlichung des Fotos. Die Begründung seiner Anwälte: Sie sei ohne die Einwilligung ihres Mandanten geschehen und verstoße gegen dessen Persönlichkeitsrecht.

Die Richter sahen das anders. Das Interesse des Klägers an Anonymität sei zwei anzuerkennen, heißt es in der Urteilsbegründung, es müsse jedoch vor der Wissenschaftsfreiheit zurücktreten. Ohne die beteiligten Personen zu zeigen und ihre Namen zu nennen, sei eine historische Aufarbeitung nicht möglich. Und der Täter sei durch seine Position beim Ministerium für Staatssicherheit exponierter gewesen als andere Stasimitarbeiter.

"IM Schubert" wurde von der Stasi als sogenannter IMB geführt, als "Inoffizieller Mitarbeiter zur Bearbeitung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen". Die wurden vom Geheimdienst zur Unterwanderung der Opposition eingesetzt und waren ideologisch besonders gefestigt. Die Münchner Richter finden: Damit hob sich "IM Schubert" sowohl von der einfachen Bevölkerung als auch von anderen Stasi-IMs eindeutig ab und müsse sehr wohl die Veröffentlichung eines Fotos mit vollem Namen dulden.

Der Betreiber der beklagten Website, Joachim Heinrich, sieht in dem Urteil einen Schlussstrich. Er verkündete: Endlich hätten die Richter die Versuche ehemaliger DDR-Täter gestoppt, ihre Schuld aus der Geschichtsschreibung zu löschen. Doch noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.

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