Demo gegen die Sechs-Klassen-Grundschule: Schulkampf in Hamburg

In Hamburg gehen am Sonnabend Eltern gegen die sechsjährige Primarschule auf die Straße. Kernforderung ist der Erhalt des Elternwahlrechts nach der 4. Klasse.

Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) bekam auf einer früheren Demo eine symbolische Schultüte von den protestierenden Eltern überreicht. Bild: dpa

Nur weil einer im teuren Wagen zum Demo-Vorbereitungstreff anreist, muss er nicht schlechte Argumente haben. Doch der Elternprotest, der für Sonnabend in Hamburgs City angemeldet ist, wird schon als "Porsche-Demo" gehandelt. Nicht nur, dass diese Gefährte gesichtet wurden. Den Aufruf zur Demo unterzeichneten viele Eltern aus den vornehmen Elbvororten, darunter Anwälte und PR-Spezialisten.

Die Protestveranstaltung richtet sich gegen die vom schwarz-grünen Senat geplante sechsjährige Primarschule, die ab 2011 kommen soll. Damit wird die Möglichkeit für Eltern, ihre Kinder nach vier Jahren Grundschule auf das Gymnasium zu schicken, abgeschafft. Doch ist es wirklich nur die Gymnasialklientel, die gegen die vom schwarz-grünen Senat geplante sechsjährige Primarschule zu Felde zieht, weil sie nicht will, dass ihr Nachwuchs mit den Schmuddelkindern lernt? Oder wird es ein breiter Protest, wie ihn Hamburg zuletzt 2003 erlebte, als 50.000 gegen die damalige Schulpolitik der FDP auf die Straße zogen?

Die Argumente, die das Protest-Bündnis aufführt, zielen darauf ab, alle Eltern aufzurütteln, die für ihre Kinder eine höhere Bildung wünschen. "Eltern werden entmündigt!", heißt es dort. "Unser Elternwahlrecht wird abgeschafft". Eltern dürften nicht mehr entscheiden, welche weiterführende Schule ihr Kind besucht. Und statt der bisherigen 50 Prozent dürften "nur 30 Prozent aufs Gymnasium".

Letzteres ist eine unbelegte Behauptung. Die Grüne Schulsenatorin Christa Goetsch beteuert in einem Brief an alle Schulen, dass keine solche 30-Prozent-Grenze geplant sei. Richtig ist aber, dass alle Kinder zwei Jahre länger gemeinsam lernen, bevor es in Klasse 7 eine Aufteilung auf Stadtteilschule und Gymnasium gibt. Ob ein Kind gymnasialberechtigt ist, entscheidet zuvor die Zeugniskonferenz. Allerdings können Kinder auch auf der Stadtteilschule Abitur machen- dort allerdings erst nach 13 Jahren, auf dem Gymnasium hingegen schon nach zwölf Jahren.

Die Argumente für und wider diese Regelung werden in Hamburg seit einem Jahr gewälzt. Die oppositionelle SPD zum Beispiel, streitet dafür, den Eltern diesen Spielraum zu lassen. Die Spitze der SPD-Bürgerschaftsfraktion unterstützt sogar die heutige Demo, obwohl die Partei eigentlich die "Schule für alle" will.

In Fachkreisen wird das Elternwahlrecht kritisch gesehen. Ein Recht auf Gymnasium in Klasse 7 gab es auch bisher in Hamburg nicht. Nach Ende der fünften und sechsten Klasse fliegen Kinder, die schlechte Noten haben, vom Gymnasium. Hamburgs frühere Schulsenatorin Rosie Raab (SPD) nennt diese Selektionsphase ein "zutiefst unpädagogisches System". Künftig soll so eine Unsicherheitsphase entfallen. Auch die Gymnasien übernehmen Verantwortung, inden sie die Kinder von Klasse 7 bis 10 behalten. Doch gäbe es davor ein Elternrecht, so fürchtet Raab, würde die Schulwahl "noch stärker von der sozialen Herrkunft gelenkt".

Die aktiven Eltern in den Elternvororten müsste diese Frage nicht kümmern. Dort sind die häuslichen Voraussetzungen so gut, dass fast alle Kinder eine Gymnasialempfehlung bekommen. Doch es regt sie anderes auf. Schulprofile, wie etwa Latein oder ein Chor ab Klasse 5, können dort künftig erst zwei Jahre später beginnen. "Was nützt ein Schulchor, wenn die Kinder im Stimmbruch sind?", fragt ein Vater. Die Schulsenatorin will dies lösen, indem sie Profile wie Chor oder Latein schon in der Primarschule anbietet. Wie das alles zusammenpasst und welche Schule mit wem kooperiert, wird noch bis zum 15. Mai in 22 regionalen Schulkonferenzen beraten.

Zuviel Chaos, viele "Experimente auf dem Rücken der Kinder", halten die Kritiker dagegen, die als Logo eine mißmutig dreinblickende Anti-AKW-Sonne, schwarz vor grünem Grund, mit der Aufschrift "Schulchaos nein danke!" wählten. "Wir müssen die Grünen mit ihrer eigenen Sprache schlagen", sagte eine Frau aus der Demo-AG auf dem Vorbereitungstreffen. Man gehöre einer Generation an, "die nie auf die Straße gegangen ist". Drum gibt es nun Basteltipps für Transparente im Internet, wird mit der Unsicherheit offen koketiert. Die Medien beschäftigt nun, was passiert, wenn "das Bürgertum auf die Straße geht". Es wirkt - wie eine PR-Strategie.

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