Kommentar Grippe-Hysterie der WHO: Alarmismus am falschen Platz

Bei der Schweinegrippe zeigt die WHO typisches Bürokratenverhalten: Wenn man auf reale Probleme keine Lösungen findet, sucht man sich für reale Lösungen das passende Problem.

Was ist bloß los mit der Weltgesundheitsorganisation? 900 Menschen, also knapp 0,000015 Prozent der Weltbevölkerung, sind an einer Mutation des Schweinegrippenvirus erkrankt, deren Gefährlichkeit sich in Grenzen hält. Knapp zwei Wochen nach der ersten Feststellung der Seuche sind 25 Todesfälle bestätigt. In Reaktion droht die WHO, die allerhöchste Seuchenwarnstufe auszurufen, und warnt Regierungen weltweit vor Sorglosigkeit.

Man kann nur hoffen, dass die Regierungen der Welt größere Sorgen haben. Die normale Grippe zum Beispiel, an der jedes Jahr in Deutschland über 12.000 Menschen sterben. Oder Malaria, die jeden Tag in Afrika 5.000 Menschen tötet, zusätzlich zu den täglich 8.000 Aidstoten weltweit. Würde die WHO transkontinentale Einzelübertragungen dieser und anderer Seuchen wie Ebola oder Dengue-Fieber, die wirklich lebensbedrohlich sind, ebenso alarmistisch in den Medien verbreiten wie die verschlungenen Wege des neuen Grippevirus, hätten die TV-Sender überhaupt keine Zeit mehr für normale Programme.

Ähnlich wie die Panik um die Vogelgrippe vor einigen Jahren scheint die WHO-Hysterie diesmal vor allem einem Zweck zu dienen: etwas, das man im Griff hat, in den Vordergrund zu rücken, um sich in die Schlagzeilen zu drängeln, den Eindruck von Kompetenz zu erwecken und damit Finanzierungsansprüche zu legitimieren und Reformbestrebungen abzuwehren. Damit kann die WHO zugleich Stillstand im Kampf gegen wirklich verheerende Seuchen verbergen. Es ist das typische Verhalten von Bürokratien: Wenn man auf reale Probleme keine passenden Lösungen findet, sucht man sich für die realen Lösungen das passende Problem. Verräterisch ist dabei, dass das zu den Fähigkeiten der WHO passende Problem so winzig ist.

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